Was fällt einem bei
der Bezeichnung IT-System ein?
Wahrscheinlich nichts,
wenn man nicht Informatiker ist.
Doch das IT-System,
von dem ich hier berichte, hat nichts mit EDV zu tun. Wohl aber etwas mit der
Dose, an die wir unsere gekauften Geräte anstöpseln. Ich denke, wir
Steckdosenamateure – und da zähle ich mich auch hinzu – sollten unsere Dosen
kennen. Deshalb machen wir heute eine kurze Expedition in die Welt jenseits der
Dose:
Was eine rechte Dose
sein will, ist in der Regel dreipolig. In der Schweiz sitzt rechts die Phase,
links der Null- oder Neutralleiter und unten in der Mitte die Erde, auch
Schutzleiter genannt. In Deutschland hängt es vom Gusto des Elektrikers ab, ob
die Phase links oder rechts ist. Abgesehen davon haben unsere Freunde im
grossen Kanton sowieso andere Dosen.
Aber eigentlich ist es
wurscht, wo die Phase sitzt, nur die Erde muss am richtigen Ort sein, sonst
wird das Gehäuse unseres Transceivers plötzlich elektrisch und befördert den OM
zum Harfenspieler*. Wenn wir unsere zweipoligen Lampen oder anderes Zeug
anschliessen, brauchen wir uns nicht darum zu kümmern – wir können Nullleiter
und Phase problemlos vertauschen. Bei modernen Lampenfassungen ist das Gewinde
stromlos, so dass wir auch nicht beim ungeschickten Wechseln der Birne
unversehens Flügel fassen müssen.
Hinter der Steckdose
führen bekanntlich Drähte zum Sicherungskasten. Gelbgrün die Erde, braun die
Phase und blau der Neutralleiter.
Eigentlich könnte man
in den Steckdosen Neutralleiter und Erde miteinander verbinden und früher wurde
das zum Teil auch so gemacht. Doch damit würden wir mit unseren Transceivern
russisches Roulette spielen. Leicht könnte dann die Phase auf dem Gehäuse
liegen und der Neutralleiter auf dem Ein/Aus-Schalter. Um solche Abkürzungen in
den Amateurhimmel zu verhindern, dazu ist der Schutzleiter da.
Doch jetzt befinden wir
uns auf unserer Reise durch das Stromnetz beim Sicherungskasten. Und da fängt
der Spass so richtig an. Es gibt nämlich verschiedene Möglichkeiten ein
Stromnetz auszuführen.
Den meisten heutigen
Netzen ist aber gemeinsam, dass der Strom in drei Phasen ins Haus gelangt. Sie
sind untereinander um 120 Grad phasenverschoben. Man nennt das Drehstrom.
Würden wir im Haus nur perfekte Drehstromverbraucher anschliessen, so könnten
wir auf den Nullleiter und auch auf den Erdleiter verzichten. Sowohl Zu- wie
auch Abfluss des Stromes würde über die drei Phasenleiter erfolgen.
Doch viele Verbraucher
im Haus sind nur einphasig, wie zum Beispiel unsere Transceiver und Netzgeräte
und so werden die drei Phasen schön brüderlich und schwesterlich aufgeteilt.
Gewiefte Elektriker achten dabei darauf, dass sie im Schnitt etwa gleich
beansprucht werden. Trotzdem werden aus den drei Phasen unterschiedliche Ströme
bezogen. Der Transceiver im Shack ist vielleicht nicht zur gleichen Zeit in
Betrieb wie der Föhn der YL und das Licht im Keller. Ausserdem verbrauchen
beide nicht gleichviel Strom.
Die drei Phasen vom
Trafo des EW werden also nie gleich beansprucht. Und somit braucht es
irgendeinen Ausgleich. Das besorgt der Nullleiter. Über ihn fliesst der
Ausgleichsstrom. Doch beim Trafo des EW ist in der Regel fertig lustig. Der
Nullleiter wird nicht mehr gebraucht. Die Ausgleichströme fliessen über die
Erde. Das wird einem spätestens beim Betrachten einer Hochspannungsleitung
klar. An den Masten hängen nur Kabel für die drei Phasen, bei uns meistens zwei
Paare. Einen Null- bzw. Neutralleiter sucht man vergebens. Das dünne Kabel von
Mastspitze zu Mastspitze dient dem Blitzschutz. Man möchte damit vermeiden,
dass ein Blitz direkt in eine Phase knallt.
Doch was hat das mit
dem eingangs erwähnten IT-Sytem zu tun?
Nun, ein IT-System
(Isolé Terre) ist ein Netz mit isolierter Erde. Beim Trafo des Drehstromnetzes
wird in diesem Fall der Sternmittelpunkt nicht geerdet, wie das sonst üblich
ist (TN: Terre Neutre). Es ist somit nur für kleine geschlossene und
balancierte Netze brauchbar.
Stromnetze
in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind meistens vom TypTN-C-S, Terre Neutre Combiné Séparé). Der Sternpunkt des
EW-Trafos ist geerdet und es wird zusätzlich vom Sternpunkt ein Nullleiter
geführt. Dieser wird vor Gebäudeeintritt geerdet. Im Innern des Gebäudes werden
Nullleiter und Erde aber getrennt geführt. Das schützt den OM vor einem heissen
Chassis, wenn was schiefläuft.
Es gibt daneben natürlich
noch eine Anzahl weiterer Möglichkeiten ein Netz auszuführen. Aber das würde
jetzt zu weit führen. Wir wollten ja nur wissen was hinter unserer Steckdose
vorgeht. Dort an diesem geheimnisvollen Ort, wo der Strom sitzt und sich
langweilt, bevor wir ihn umwandeln und in den Æther schicken.
* In der
Gerüchteküche des Vatikans wird geflüstert, dass es im Funkerhimmel für
Amateure Yagis statt Harfen gebe und in der Funkerhölle dauernd Contest sei.