Donnerstag, 5. Februar 2015

Funkperlen reloaded: "Einmaleins" für "Steckdosenamateure"


Veröffentlicht am 19. Juli 2013


   Was fällt einem bei der Bezeichnung IT-System ein?
   Wahrscheinlich nichts, wenn man nicht Informatiker ist.
   Doch das IT-System, von dem ich hier berichte, hat nichts mit EDV zu tun. Wohl aber etwas mit der Dose, an die wir unsere gekauften Geräte anstöpseln. Ich denke, wir Steckdosenamateure – und da zähle ich mich auch hinzu – sollten unsere Dosen kennen. Deshalb machen wir heute eine kurze Expedition in die Welt jenseits der Dose:
   Was eine rechte Dose sein will, ist in der Regel dreipolig. In der Schweiz sitzt rechts die Phase, links der Null- oder Neutralleiter und unten in der Mitte die Erde, auch Schutzleiter genannt. In Deutschland hängt es vom Gusto des Elektrikers ab, ob die Phase links oder rechts ist. Abgesehen davon haben unsere Freunde im grossen Kanton sowieso andere Dosen.
   Aber eigentlich ist es wurscht, wo die Phase sitzt, nur die Erde muss am richtigen Ort sein, sonst wird das Gehäuse unseres Transceivers plötzlich elektrisch und befördert den OM zum Harfenspieler*. Wenn wir unsere zweipoligen Lampen oder anderes Zeug anschliessen, brauchen wir uns nicht darum zu kümmern – wir können Nullleiter und Phase problemlos vertauschen. Bei modernen Lampenfassungen ist das Gewinde stromlos, so dass wir auch nicht beim ungeschickten Wechseln der Birne unversehens Flügel fassen müssen.
   Hinter der Steckdose führen bekanntlich Drähte zum Sicherungskasten. Gelbgrün die Erde, braun die Phase und blau der Neutralleiter.
   Eigentlich könnte man in den Steckdosen Neutralleiter und Erde miteinander verbinden und früher wurde das zum Teil auch so gemacht. Doch damit würden wir mit unseren Transceivern russisches Roulette spielen. Leicht könnte dann die Phase auf dem Gehäuse liegen und der Neutralleiter auf dem Ein/Aus-Schalter. Um solche Abkürzungen in den Amateurhimmel zu verhindern, dazu ist der Schutzleiter da.
   Doch jetzt befinden wir uns auf unserer Reise durch das Stromnetz beim Sicherungskasten. Und da fängt der Spass so richtig an. Es gibt nämlich verschiedene Möglichkeiten ein Stromnetz auszuführen.
   Den meisten heutigen Netzen ist aber gemeinsam, dass der Strom in drei Phasen ins Haus gelangt. Sie sind untereinander um 120 Grad phasenverschoben. Man nennt das Drehstrom. Würden wir im Haus nur perfekte Drehstromverbraucher anschliessen, so könnten wir auf den Nullleiter und auch auf den Erdleiter verzichten. Sowohl Zu- wie auch Abfluss des Stromes würde über die drei Phasenleiter erfolgen.
   Doch viele Verbraucher im Haus sind nur einphasig, wie zum Beispiel unsere Transceiver und Netzgeräte und so werden die drei Phasen schön brüderlich und schwesterlich aufgeteilt. Gewiefte Elektriker achten dabei darauf, dass sie im Schnitt etwa gleich beansprucht werden. Trotzdem werden aus den drei Phasen unterschiedliche Ströme bezogen. Der Transceiver im Shack ist vielleicht nicht zur gleichen Zeit in Betrieb wie der Föhn der YL und das Licht im Keller. Ausserdem verbrauchen beide nicht gleichviel Strom.
   Die drei Phasen vom Trafo des EW werden also nie gleich beansprucht. Und somit braucht es irgendeinen Ausgleich. Das besorgt der Nullleiter. Über ihn fliesst der Ausgleichsstrom. Doch beim Trafo des EW ist in der Regel fertig lustig. Der Nullleiter wird nicht mehr gebraucht. Die Ausgleichströme fliessen über die Erde. Das wird einem spätestens beim Betrachten einer Hochspannungsleitung klar. An den Masten hängen nur Kabel für die drei Phasen, bei uns meistens zwei Paare. Einen Null- bzw. Neutralleiter sucht man vergebens. Das dünne Kabel von Mastspitze zu Mastspitze dient dem Blitzschutz. Man möchte damit vermeiden, dass ein Blitz direkt in eine Phase knallt.
   Doch was hat das mit dem eingangs erwähnten IT-Sytem zu tun?
   Nun, ein IT-System (Isolé Terre) ist ein Netz mit isolierter Erde. Beim Trafo des Drehstromnetzes wird in diesem Fall der Sternmittelpunkt nicht geerdet, wie das sonst üblich ist (TN: Terre Neutre). Es ist somit nur für kleine geschlossene und balancierte Netze brauchbar.
   Stromnetze in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind meistens vom TypTN-C-S, Terre Neutre Combiné Séparé). Der Sternpunkt des EW-Trafos ist geerdet und es wird zusätzlich vom Sternpunkt ein Nullleiter geführt. Dieser wird vor Gebäudeeintritt geerdet. Im Innern des Gebäudes werden Nullleiter und Erde aber getrennt geführt. Das schützt den OM vor einem heissen Chassis, wenn was schiefläuft.
Es gibt daneben natürlich noch eine Anzahl weiterer Möglichkeiten ein Netz auszuführen. Aber das würde jetzt zu weit führen. Wir wollten ja nur wissen was hinter unserer Steckdose vorgeht. Dort an diesem geheimnisvollen Ort, wo der Strom sitzt und sich langweilt, bevor wir ihn umwandeln und in den Æther schicken.


* In der Gerüchteküche des Vatikans wird geflüstert, dass es im Funkerhimmel für Amateure Yagis statt Harfen gebe und in der Funkerhölle dauernd Contest sei.