Funkwellen lassen die
Ionosphäre nicht “kalt”, wenn sie in sie eindringen. Sie lassen die freien
Elektronen vibrieren. Ein Teil der Funkwellen wird dabei absorbiert, ein
anderer zurück gestrahlt. Aber nicht nur die Funkwellen beeinflussen die
Elektronen in der Ionosphäre, sondern auch das Magnetfeld der Erde. Es
bestimmt, wie die Elektronen vibrieren sollen. Im Kurzwellenbereich lässt es
die von der Funkwelle getroffenen Elektronen in einer elliptischen Bahn
vibrieren. Je tiefer die Frequenz, desto grösser wird die Ellipse, und bei 1400
kHz wird die Bahn der angeregten Elektronen spiralförmig. Die Funkwellen werden
dabei praktisch vollständig absorbiert. Darum nennt man diese Frequenz
die Gyro-Frequenz. Je näher wir also der Gyro-Frequenz kommen, desto grösser
ist die Absorption während des Tages durch die D-Schicht. Das merken wir nicht
nur beim Empfang von Radiostationen auf Mittelwelle, sondern auch beim
Funkbetrieb im 160m Band. Bei 1.8 MHz mehr als bei 2MHz.
Und
weil das Magnetfeld der Erde an dieser Gyro-Frequenz, bzw. an den Bahnen der
angeregten Elektronen “schuld” ist, wirken sich Magnetstürme auf die
Wellenausbreitung aus. Wegen der Nähe zur Gyro-Frequenz ist die
Wellenausbreitung im 160m Band eine komplexe Geschichte und schwer prognostizierbar.
Aber auch weit über der Gyrofrequenz spürt man noch den Einfluss des
Erdmagnetfeldes, und sogar auf 136 kHz beeinflusst es noch die Ausbreitung.
Daher ist der Kp-Index bei der Wellenausbreitung von grosser Bedeutung.
Er zeigt die Stärke der Störung des Magnetfeldes. Ist er hoch, ist die
Funkausbreitung beeinträchtigt, bzw. verhalten sich die Wellen nicht so wie wir
es gewohnt sind. Vor allem in der Nähe der Magnetpole. Diese Pole sind übrigens
nicht mit der Rotationsachse, also den geografischen Polen der Erde, identisch.
Der magnetische Nordpol befindet sich zurzeit im Norden Kanadas und wandert mit
einer Geschwindigkeit von 90m pro Tag Richtung Sibirien. Auch hat man
festgestellt, dass sich das Erdmagnetfeld laufend abschwächt – in den
vergangenen hundert Jahren um etwa 6 %. Und es gibt bereits Löcher im Magnetfeld.
Die Forscher vermuten deshalb, dass wir uns einem Polsprung nähern, bei der
sich die Erde umpolt. Ein solcher Polsprung fand in der Vergangenheit etwa alle
250’000 Jahre statt, und der nächste ist schon lange überfällig. Die Umpolung
erfolgt übrigens nicht sprunghaft, wie der Ausdruck Polsprung suggeriert, sondern
dauert Jahrhunderte oder Jahrtausende. Während dieser Zeit herrschen chaotische
magnetische Verhältnisse. Kompasse werden unbrauchbar, Zugvögel
orientierungslos und das Leben auf der Erde ist dem Sonnenwind ohne
Magnetschutzschild stark ausgesetzt, mit entsprechenden Auswirkungen auf die
DNA. Da sind die zu erwartenden chaotischen Funkbedingungen noch das geringste
Übel. Doch keine Sorge! Wir alle werden einen eventuellen Polsprung kaum
mehr erleben. Es dauert höchstwahrscheinlich noch eine “Weile” :-)
Bild: Guglielmo Marconi