Donnerstag, 14. April 2016

IC-7300 Quo Vadis?

Gestern Abend hat sich auf meinem IC-7300 zum ersten Mal die Overflow-Anzeige bei ausgeschalteten Vorverstärkern gemeldet. Auf 10 und 14 MHz. Die Antenne ist eine Inverted L, 12m hoch, 43m lang, abgestimmt mit einem automatischen Tuner am Speisepunkt.

Natürlich benutze ich Vorverstärker in der Regel nicht. Die Empfindlichkeit der meisten KW-Transceiver ist in unserer, mit Elektronikschrott verseuchten, Gesellschaft ohne VV genügend hoch. Höchstens auf 50 MHz kommt man in Versuchung, den VV einzuschalten, wenn mal zwischen den starken Sporadic E Signalen eine schwache Station aus Übersee auftaucht.

Wären die Filter beim IC-7300 nicht so groß wie Scheunentore, wäre das Problem wohl halb so schlimm. 10 und 14 MHz mit einem einzigen Bandpass abzudecken, war wohl nicht gerade eine Glanzidee, zumal dieses Filter nur eine geringe Flankensteilheit aufweist.

Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Im Gegensatz zu den klassischen Empfängern wirkt der RF-Gain nicht auf die AGC, sondern steuert einen stufenlosen Abschwächer, vor dem AD-Wandler. Nämlich den da.
So dreht man beim Aufflackern der Overflow-Anzeige einfach den RF-Regler zurück, bis wieder Ruhe im Karton ist. Ob mit oder ohne Vorverstärker.

Während es in der IC-7300 Yahoo-Gruppe verdächtig ruhig ist, und die Koryphäen abgetaucht zu sein scheinen, erreichen mich viele interessante Zuschriften.

Hier die von Erich, DC8KO:

Lieber Anton,                                                                                         

besten Dank für den Schaltplan des IC-7300.

Darin ist merkwürdigerweise der Typ des A/D-Wandlers nicht angegeben. Auf diversen Webseiten wird behauptet, es wäre ein LTC 2208. Und der hat eine Auflösung von 16 bit (siehe beigefügtes Datenblatt). Vielleicht liest du einfach mal die Aufschrift des Wandlers in deinem Gerät.

Nichtsdestotrotz ist ein Dynamikbereich von deutlich über 80 dB meines Erachtens illusionär. Nach deinen neuesten Blogs scheint es so, daß du dich jetzt auch der Herde von Hoffnungsträgern angeschlossen hättest, die sich von einem Software-Update die Verbesserung der Welt erhoffen. Ich befürchte, diese Hoffnung wird sich nicht erfüllen, denn das Problem ist von grundsätzlicher Natur.

Dies hattest du in deinem Blog vom 11.4.16 doch schon treffend beschrieben:

"Wie bei allen Direct Samplern - ist der A/D-Wandler das Problem. Er ist das schwächste Glied in der Kette. Dabei spielt es gar keine Rolle, wie viel Rechenpower man nach dem Wandler verwendet. Was der Wandler vermasselt, kann hinterher nicht repariert werden." 
Das Märchen vom "Prozeßgewinn" wird immer wieder herangezogen, um dennoch einen phantastischen Dynamikbereich zu begründen.

Das Quantisierungsrauschen von Flash-ähnlichen A/D-Wandlern wird als gleichverteilt über die gesamte 1. Nyquistzone angenommen (Schon diese Annahme hat ihre Tücken). Bei einer Abtastrate von, sagen wir, 150 MHz, erstreckt sich dieses Spektrum von 0 – 150 MHz.

Der Nutzkanal hat jedoch nur 3 kHz Bandbreite. Das heißt, nach Dezimierung und Kanalfilterung verringert sich das Quantisierungsrauschen um satte 47 dB. Und dies wird dann "Prozeßgewinn" genannt, obwohl dieser Begriff eigentlich anders verwendet wird. OM Leichtfuß "berechnet" dann einen angeblichen Dynamikbereich wie folgt:

 80 dB (die der A/D-Wandler "sowieso" schon hat)  +  47 dB = 127 dB

Dies ist eine äußerst zufriedenstellende Hausnummer. Sie hat aber leider nichts mit der Wirklichkeit zu tun, denn der Dynamikbereich wird von den Mischprodukten begrenzt und nicht vom Quantisierungsrauschen.

Ein ADC ist per Definition ein diskontinuierliches, nichtlineares Bauelement. Gerade beim breitbandigen Sampling ist das Auftreten von Mischprodukten daher praktisch unvermeidlich.  Z.B. können im von dir untersuchten Filterbereich 10 – 15 MHz des IC-7300mehrere Hundert Signale enthalten sein. Es dürfte doch sonnenklar sein, was passiert, wenn man Hunderte von Signalen über ein nichtlineares Bauelement leitet. Ich weise ausdrücklich darauf hin, daß das Sampling-Theorem und die gesamte "einfache" Literatur zu ADCs sich auf ein einzigesbandbegrenztes Signal beziehen.

Wenn die mittlere Summenleistung aller Signale den ADC in die Nähe von Full Scale aussteuert, dann kann die Amplitude von vielen Kleinsignalen im Bereich der kleinsten Quantisierungsstufe (LSB = Least Significant Bit) des ADC liegen. Gerade diesekleinen Signale bilden daher vorzugsweise Intermodulationsprodukte. Dies ist ein vollkommen anderes Verhalten als in "konventionellen" Digitalempfängern, die ihren ADC in der Basisbandstufe (nach einer schmalbandigen Vorselektion) haben, und die folglich signifikante Intermodulationsprodukte erst bei extrem starken Eingangssignalen zeigen.

Bei breitbandigen Direkt-Samplern ergeben die üblichen 2 Ton-Intermodulationsmessungen grundsätzlich irreführende Resultate. Die Sherwood-Liste ist daher mit Vorsicht zu genießen.

Wie bereits in meinem Bericht vom 20.2. (Seite 4/5) vorgeschlagen, kann man die Dynamikgrenze eines Breitband-Sampling-RX durch Beobachtung der Kleinsignale feststellen, während man gleichzeitig die Leistung eines starken Meßsendersignals (dessen Frequenz irgendwo im Durchlaßbereich des Vorfilters gewählt ist) langsam erhöht. Die Differenz zwischen dem Meßsenderpegel und den erzeugten Intermodulationsprodukten ist dann ungefähr der Dynamikbereich.

Dieser Dynamikbereich dürfte bei allen Herstellern, die den LTC 2208 als ADC verwenden, im Wesentlichen gleich sein. Und nach meiner Kenntnis ist dieses IC wesentlicher Bestandteil aller Produkte von FLEX, Annan, etc.

Es macht daher wenig Sinn, auf ICOM einzuprügeln. Im Gegenteil, ICOM kommt der Verdienst zu, der sogenannten SDR-Branche ihr Hochpreis-Image unter dem Hintern wegzuziehen. Im Gegensatz zu Veröffentlichungen diverser SDR-Hersteller habe ich bei ICOM bisher noch keine falschen oder irreführenden Aussagen zum Dynamikbereich finden können. Sie schweigen sich einfach aus. Und damit verfolgen sie die gleiche Politik wie Rohde & Schwarz. Es ist doch schon bezeichnend, daß sich der seriöse Hersteller Rohde & Schwarz zu keinerlei Spezifikation des Dynamikbereichs seiner Breitband-Direktabtastungsempfänger bereitfindet.

Auch im Datenblatt des LTC 2208 findet man weder Spezifikationen noch Meßergebnisse für eine solche Anwendung.

Interessant ist auch der Kommentar von Henning DF9IC:

Mangels IC7300 kann ich nicht mit praktischen Erfahrungen helfen. Einen PERSEUS habe ich, als "early adopter" mit Seriennummer <50, benutze ihn aber auch nur zum Messen und nicht zum Empfangen. KW gibt es bei mir eh nicht.
Übersteuerung mit VV kann es beim PERSEUS schon deshalb nicht geben, weil er keinen hat. Der Overload passiert da bei etwa -4...-5 dBm (mit Preselector noch mal 1-2 dB höher wegen dessen Einfügungsdämpfung). Dafür liegt der MDS auch etwa um den gleichen Betrag höher. Die Einton-Dynamik zwischen Rauschen und Übersteuerung dürfte der des IC7300 sehr ähnlich sein. Da die Rauschleistung proportional zur Bandbreite wächst, hängt die Differenz eben davon ab. Die SNR-Werte im Datenblatt des ADC (z. B. 76 dB) beziehen sich auf die volle Nyquist-Bandbreite (halbe Abtastrate, bei PERSEUS 40 MHz). Messen wir mitweniger Bandbreite, wird der Zahlenwert größer. Das ist der "Prozessgewinn".Dafür braucht es keinen SW-Update, den gibt es gratis....
Der größte Teil der PERSEUS-Kunden sind SWLs, die entweder mit kleinen Behelfsantennen (Loops mit 1 m Durchmesser) auf KW hören, oder allenfallls mit Beverages im Mittelwellen- und Langwellenbereich, NDBs und Co. Die haben selten Übersteuerungsprobleme.
Ich nehme an, dass die IC7300-Jünger viel zu oft den VV statt des Abschwächers benutzen. Vielleicht sind die Vorfilter auch etwas breit geraten. Ob ICOM im RX sonst noch etwas falsch macht, weiss ich nicht.IP-Messungen und Angaben von intermodulationsfreien Dynamikbereichen sind zur Charakterisierung eines ADC weitgehend sinnfrei, da Intermodulationendort anders entstehen und ihre Pegel andersartig verändern. Unterschiedliche ADCs können sich in dieser Hinsicht trotz gleicher SNR-Angabe(Eintondynamik) ganz unterschiedlich verhalten. Die von Linear Technology wie im PERSEUS und QS1R sind dabei ziemlich gut, manche älteren von Analog Devices eher nicht.www.sm5bsz.com/dynrange/qex/digital-imd.pdf
 (vor 10 Jahren geschrieben! -aber ARRL und Sherwood haben das wohl nicht kapiert)
Ich weiß auch nicht (ebensowenig wie alle anderen, die etwas dazuschreiben), was die obskure "IP+"-Funktion wirklich macht. Im wesentlichen wohl dithern. Kann man beim PERSEUS auch einschalten, dort heißt es dann auch so. Das braucht man bei einem Signalgemisch von einer KW-Antenne aber eher nicht, da dithern schon diese Signale selbst genug, sondern eher für Zweitonmessungen am Messplatz oder vegleichbarer Empfangssistuation mit nur 2 oder 3 starken Signalen.
Wo ICOM definitiv murkst: beim DAC-Takt. Ich hatte am Mo Abend Gelegenheit,das Sendesignal eines IC-7300 auf 14 MHz anzuschauen (übrigens mit PERSEUS),und das war ziemlich rauschig, etwa auf IC-706-Niveau. Obwohl der DAC, mit einem sauberen Quarztakt betrieben, das mit Sicherheit um 20-30 dB besser könnte. Der Takt für den DAC kommt aus dem FPGA, das aber selbst nur eine Taktfrequenz bei 1/3 des DAC-Takts aus dem Quarzoszillator erhält. Und das wird wahrscheinlich im FPGA mit einer rauschenden PLL die Frequenz verdreifacht. Das ist eine ziemliche Macke im Design.
Am RX habe ich nichts gemessen, der hat mich danach nicht mehr interessiert.
Auch Mathias DK4BM, der eine ganze Reihe Direct Sampler und durchzogene Erfahrungen hinter sich hat, schickte mir einen interessanten Kommentar. Dazu gehörten auch die Screenshots seines ELAD. Dem hier:

Mit einem -10dBm Signal sah der noch recht friedlich aus. Nämlich so:


Doch ein dB mehr und der Teufel war los. Hier mit -9dBm:


Mathias meint dazu enttäuscht: "Vielleicht messen wir alle einfach falsch."


So, das wär's für heute. Fortsetzung folgt....

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