Freitag, 22. Mai 2015

Funkperlen reloaded: Die Gefängnisexpedition



Die Gefängnis-Expedition
Veröffentlicht am 26. September 2014 

Bisher habe ich kaum über DX Expeditionen berichtet. Das liegt daran, dass ich kein DXer bin. Doch das war nicht immer so.
Wer kein Young Timer unter den DXern ist, kann sich sicher noch an den legendären Romeo Stephanenko erinnern. Er wurde 1961 in der Ukraine geboren – damals gehörte diese noch zur Sowjetunion. Sein Vater war Funkamateur (heute noch aktiv als UZ1RR) und auch Romeo begeisterte sich für dieses Hobby und erhielt das Call UB5JRR
Romeo heiratete Alyona und sie hatten eine Tochter. Auch Alyona machte die Lizenzprüfung und erhielt das Call UT5JTA. Damit konnten die beiden in Kontakt bleiben, als Romeo für ein Projekt 1989 nach Vietnam versetzt wurde.
Allerdings war es bisher unmöglich gewesen, in Vietnam eine Funklizenz zu erhalten und entsprechen begehrt war dieses Land unter den DXern.
Was andere vergeblich versucht hatten, gelang Romeo. Er erhielt das Call 3W3RR. Das Pileup auf den Bändern war riesengross. Doch Romeo war ein ausgezeichneter Operator und bekannt für einen zuverlässigen und raschen QSL-Versand.
Damals wie heute wurden für das Rückporto Dollarnoten beigelegt. Oft mehrere Dollar, da die Absender dachten, ihre Chance zu erhöhen, eine QSL zu erhalten. Der Versand kostete aber damals aus Vietnam und der Sowjetunion nur den Bruchteil eines Dollars – schließlich waren die grünen Zettel damals noch etwas wert. Allerdings nicht mehr so viel wie 1972 als ich zum ersten Mal in den USA war. Damals kostete der Dollar über vier Franken.
Trotzdem: Romeo machte mit dem Überschuss aus dem QSL-Porto ein gutes Geschäft. Für eine Handvoll Dollar liess sich in der damaligen Sowjetunion ganz gut leben.
Das ermöglichte Romeo weitere DX-peditionen und er machte sich auf, an Orten aktiv zu werden, wo noch nie zuvor ein Funkamateur gewesen war. Sein nächstes Ziel war Spratly. Die Spratly-Inseln waren damals wie heute ein höchst umstrittenes Gebiet. Trotzdem schaffte es Romeo, aufgrund seiner guten Beziehung in höchste Regierungskreise, von Vietnam eine Erlaubnis für eine Expedition zu erhalten. Zusammen mit seinen Freunden war Romeo unter dem Call 1S0XV und 1S1RR im April/Mai 1990 QRV. Insgesamt schafften sie 40‘000 QSO. Jeder der Teilnehmer bezahlte dafür zwar 1000 Rubel (damals für viele ein Jahressälar), der Rest übernahm die Sowjetunion. Wie die Rechnung für jeden einzelnen nach dem QSL-Versand unter dem Strich aussah, darüber lässt sich nur spekulieren.
Wie auch immer: Die nächste Expedition stand schon fest. Afghanistan! Mitten im Chaos des Krieges: Die Russen zogen sich gerade aus dem Land zurück.
Romeo gelang es wieder, eine Lizenz zu ergattern und er machte das Unmögliche möglich: Im Januar 1991 waren er und sein Freund Valerie YL1WW als YA0RR QRV, aus einem Versteck im belagerten Kabul. Ein äusserst gefährliches Unterfangen. Nur Stealth-Antennen konnten gebaut werden. Ein Tower mit einem Beam wäre sofort beschossen worden.
Romeo Stephanenko wurde in der Folge zu einem der berümtesten DXer. Nun folgte eine Expedition auf die andere. Die Liste der Rufzeichen, die Romeo in all den Jahren benutzte, ist überwältigend:
1S0RR, 1S0XV, 1S1RR, 3W3RR/UF6F (earthquake rescue operation), 3W3RR/mm (South China Sea), 3W5JA, 3W7A, 3W8AA, 3W100HCM, 4J1FM, 4J1FW, 4J0Q, 4L/AH0M, 4U1ITU, 4U1VIC, 5A0RR, 9D0RR, 9H3UP, 9H50VE, 9Y4/AH0M, AH0M, AH0M/am (Bermuda Triangle perambulation), AH0M/VE2, AH0M/VE3, AH0M/W4 (Dry Tortugas Isl.), BY1PK, DL/AH0M, EK0JA, EK0RR/am (hot air balloon), EK0RR/mm (Russian Navy submarine), EW8TJ, FJ/AH0M, FS/AH0M, HB0/3W3RR, HB9/AH0M, IT9/AH0M (Etna volcano), J37/AH0M, J6/AH0M, JA3ZTN, JI1ZTA, KP2/AH0M, KP4/AH0M, LZ1KDP, LZ9A, LZ/AH0M, OE/AH0M, OK8ERR, OM9CRR, P5RS7, PJ2/AH0M, PJ7/AH0M, R3A (Russian Parliament, 20-21 August 1991), RB4JWS/UF1O (South Ossetia), RB4JWS/UF1Q (Adzharia), RB4JWS/UF1V (Abkhazia), RO/3W3RR (Pridnestrovie), S79R, TA1/3W3RR, TA2/3W3RR, UB5JRR, UB5JRR/UA6E (Mount Elbrus), UB5JRR/UA6X, UQ1GWW, V2A/AH0M, VP2E/AH0M, VP2M/AH0M, VP2M/AH0M/am (helicopter), VP5/AH0M, XE2/AH0M, XV2A, XV0SU, XV100HCM, XY0RR, YA0RR, YL1WW, YL75ID (Island of Death)
Amateurfunk war nun zu seinem „Beruf“ geworden. Sicher nicht nur des Geldes wegen. Der Thrill, an außergewöhnlichen Orten in einem Pileup zu stecken, war der ultimative Kick – vielleicht vergleichbar mit einer Droge.
Zwar kamen immer wieder Zweifel an seinen DX-Aktivitäten auf. Zum Beispiel im Falle von Myanmar (Burma), wo er angeblich als XY0RR QRV war. Doch die Gemeinde der DXer glaubte an Romeo. Er war ihr Held und die Zweifler waren missgünstige Neider.
Doch 1993 überdrehte Romeo das Rad. Als P5R7S war er angeblich aus Nord Korea QRV. Doch die Station stand vermutlich nicht in Korea sondern irgendwo in der Gegend von Wladiwostok. Die ARRl begann zu zweifeln. Doch zuviele DXer hatten P5R7S im Log und das DXCC Komitee konnte sich nicht zu einem Entschluss durchringen.
Inzwischen gingen Romeos Expeditionen weiter. Zum Beispiel 5A0RR aus Libyen. Eine ebenfalls umstrittene Aktivität.
Erst 1996 fasste die ARRL einen Entscheid: Romeo wurde aus dem DXCC-Programm ausgeschlossen. Für viele DXer und Anhänger Romeos brach eine Welt zusammen.
Nun wurde es still um Romeo. Er zog nach Malta und lebte dort unter dem Namen Roy Rogers. Unter dem Rufzeichen 9H3UP hielt er den Kontakt mit seinen Freunden in Russland und der Ukraine aufrecht. 1999 erfolgte die Scheidung von seiner Frau Alyona, die heute in den USA erfolgreich ein Geschäft betreibt. Die DX-Welt begann Romeo zu vergessen.
Doch für Romeo war damit die Abwärtsspirale noch nicht beendet. Er verstickte sich immer mehr in kriminelle Aktivitäten. Unter den Namen Roman Vega war er mit verschiedenen Pässen auf undurchsichtigen Wegen in der Welt unterwegs. 2004 wurde er in Zypern verhaftet und an die USA ausgeliefert. 40 verschiedene Vergehen wurden ihm vorgeworfen, unter anderem Kreditkartenbetrug im grossen Massstab. Letztes Jahr – nach über zehn Jahren Untersuchungshaft – wurde Romeo zu 29 Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Untersuchungshaft abgerechnet, muss er also noch 18 Jahre absitzen. Ein trauriges Ende für einen zweifellos passionierten Funkamateur.
Quellen:
- Practical Wireless September 2014
Dokufunk
Romeo 3W3RR Jail-pedition

Bild: Begegnung in Cotignac