Wie ich hier berichtet habe, sollten Vertikal-Antennen (GP) über ein gutes Erdnetz verfügen, damit sie effektiv arbeiten. 16 Radiale sollten es mindestens sein, ausgelegt oder eingegraben und zwischen 0.1 bis 0.2 Lambda lang.
Das gilt aber nur für Vertikalantennen, die direkt auf dem Boden stehen.
Befindet sich die Antenne auf einem Mast oder dem Hausdach, müssen abgestimmte Viertelwellen-Radiale als Gegengewicht zum Einsatz kommen. Sie werden isoliert im Winkel von ungefähr 45 Grad vom Fuß des Strahlers schräg nach unten gespannt und sie wirken dann als die andere Hälfte des Dipols. Ob Kurzwelle oder UKW, das Bild sieht immer gleich aus:
Bild: Wikipedia.
Doch wieso gerade 45 Grad? ich habe schon Vertikalantennen gesehen, bei denen die Radiale im rechten Winkel vom Fuß des Strahlers abstehen!
Das hat mit der Impedanz zu tun. Bei 45 Grad beträgt diese ca. 50 Ohm. Somit kann ein übliches Koaxialkabel direkt angeschlossen werden. Bei rechtwinklig abstehenden Radials beträgt die Impedanz der Antenne lediglich 22 Ohm!
Doch wieso kommt die erhöhte Vertikal mit nur drei Radialen aus, wenn eine Vertikal, die auf dem Boden steht, mindestens 16 haben sollte?
Radiale, die auf dem Boden liegen oder eingegraben sind, werden durch den Untergrund stark bedämpft und weisen deshalb grössere Verluste aus. Um diese auszugleichen, muss ihre Anzahl erhöht werden. In den USA zum Beispiel, müssen MW-Rundfunkstationen mindestens 120 Radiale haben, damit sie vom FCC eine Lizenz bekommen.
Braucht die erhöhte Vertikal mit abgestimmten Radialen wirklich drei Stück? Würden zwei oder gar nur einer nicht genügen?
Das ist in der Tat eine interessante Frage. Und die Antwort darauf ist erstaunlich:
Zwei Radiale würden genügen. Drei oder vier sieht einfach besser aus und sind zur Gewohnheit geworden. Das ist nicht nur in den Köpfen der OM inzwischen fest programmiert, sondern auch in den meisten Antennenbüchern. Den Antennenhersteller, der eine Vertikal mit nur zwei Radialen auf den Markt bringen würde, würde man nicht ernst nehmen. Im Gegenteil: je mehr je besser. Eine mit vier muss doch besser sein als eine mit nur drei - nicht wahr?
Ein Achtzylinder ist doch auch stärker als ein Vierzylinder!
Es ist sogar noch schlimmer: Im Rothammel hält sich seit Jahrzehnten die Legende von der Triple Leg Vertikal, die mit drei Radialen angeblich wie ein Kleeblatt strahlen soll - mit Richtwirkung in den Winkelhalbierenden der Radiale. In Wahrheit ist die Richtwirkung der Triple Leg minim und kann in der Praxis vernachlässigt werden. Viel wichtiger sind Unsymmetrien, die durch einen nicht homogenen Untergrund und naheliegende Bauten und Installationen verursacht werden. Sie verzerren das Richtdiagramm wesentlich mehr.
Doch sehen wir mal, was die Antennensimulation Eznec dazu meint:
Zuerst eine Viertelwelle-Vertikalantenne für das 20m Band mit dem Speisepunkt auf 5m Höhe und mit vier Viertelwellen-Radialen, um 90 Grad versetzt, 45 Grad nach unten gespannt:
Im oberen, dem Azimut-Diagramm sehen wir einen perfekten Rundstrahler. Unten im Elevations-Diagramm sieht es auch gut aus. Der optimale Erhebungswinkel liegt bei 18 Grad. Diese Antenne ist ein guter DX-Strahler.
Mit drei Radialen sieht es nicht wesentlich anders aus, deshalb habe ich dieses Diagramm hier ausgelassen. Die Strahlungscharakteristik ist praktisch gleich, ebenfalls der Gewinn der Antenne.
Doch wie sieht es mit nur zwei Radialen aus?
Hier die gleiche Antenne, aber nur noch mit zwei Radialen um 180 Grad versetzt:
Das Adlerauge erkennt im Azimut-Diagramm eine leichte Einbuchtung in der X-Achse. Das ist die Richtung, in die die Radiale gespannt sind. Doch diese Delle beträgt weniger als ein halbes dB und man wir in der Praxis keine Wirkung bemerken.
Der Abstrahlwinkel hat sich leicht erhöht und beträgt immer noch 18 Grad. Wer eine Antenne nahe der Grundstücksgrenze errichten muss, ist froh, wenn die Radiale im eigenen Garten bleiben können ;-)
Doch wie ist es, wenn wir nur einen einzigen Radial stehen lassen? Was kann man von einer solchen einbeinigen Antenne erwarten? Hier die Antwort auf diese spannende Frage:
Erst jetzt - mit einem einzigen Radial 45 Grad nach unten gespannt - sieht die Chose anders aus. Unsere Vertikal ist zur Richtantennen mutiert. Eigentlich ist sie ja keine klassische Vertikal mehr, sondern eher ein abgewinkelter Vertikaldipol.
Der optimale Erhebungswinkel ist nun auf 22 Grad gestiegen mit einer klaren Richtwirkung in Richtung des abgespannten Radials. Wir stellen auch einen leicht erhöhten Gewinn von einem halben dB fest, wenn wir genau messen. Aber das spielt in der Praxis keine Rolle. Wichtiger ist u.U., dass auch steilere Winkel besser abgedeckt werden, was QSO's über kürzere Distanzen zugute kommt.
Das SWR ist jetzt aber nicht mehr so gut, wie bei der zwei- oder mehrbeinigen Vertikal. Im Resonanzpunkt müssen wir uns mit 1:1.5 zufrieden geben. Die Impedanz ist über 70 Ohm angestiegen und wir könnten jetzt ein 75 Ohm TV-Kabel mit gutem Resultat einsetzen. Die Anpassung könnte dann der Tuner in unserem Transceiver übernehmen.
Soweit die Theorie. Die Praxis ist oft anderer Meinung und die Diskussion um Radiale wird wohl bis ans Ende des Amateurfunks weitergehen.
Zum Schluss noch ein kleines Antennenrätsel. Eine Antenne, die ich bei einer Skilift-Station entdeckt habe:
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