Die Diskussionen um den IC-7300 drehen sich in der Zwischenzeit um profane Dinge. Analphabeten fragen Sachen aus dem Handbuch, man erkundigt sich nach dem besten Bildschirmschoner und dem passenden Netzgerät und einige suchen immer noch den RS-232 Anschluss.
Das Problem mit dem Overflow des AD-Wandlers ist etwas in den Hintergrund geraten. Man kann ja den RF-Regler zurückdrehen und gut ist. Ganz Schlaue glänzen mit der Meinung, wenn Icom keine OVL-Anzeige eingebaut hätte, gäbe es dieses Problem gar nicht.
Auch hat sich inzwischen so etwas wie eine IC-7300-Sekte entwickelt: "Wer etwas Schlechtes über mein Gerät sagt, ist böse." Fakten sind da weniger gefragt. Eine Ausprägung von kognitiver Dissonanz.
Bei den Koryphäen wie Rob Sherwood und Adam Farson konvergiert jedoch die Beurteilung des ersten Direct Samplers von Icom.
Der Empfänger sei ohne Vorverstärker schlicht zu empfindlich, heißt es. In der Tat ist ein Noise Floor von -133dBm höchstens bei einem Mobilgerät zu vertreten, das an kurzen Antennen betrieben wird.
Das Flagschiff von Icom, der IC-7851 hat bei ausgeschaltetem Vorverstärker einen Noise floor von -123dBm. Wäre das beim IC-7300 auch der Fall, dann käme der Overflow erst bei 0dBm und wäre kein Thema mehr.
Es hat keinen Sinn, das Empfängerrauschen und damit die Empfindlichkeit mehr als -10dB unter das Bandrauschen abzusenken. Sicher nicht auf den Bändern von 20-160m. Wer auf 10m/6m mehr braucht, kann immer noch den Vorverstärker dazu schalten.
Auf 20m ist laut RSGB Handbuch das Rauschen bei 3kHz Bandbreite an einem Dipol in ländlicher Umgebung auf 20m bei -118dBm. Auf 40m -108dBm nachts und -110dBm tagsüber.
Der Design-Fehler beim IC-7300 liegt also bei einer zu hohern Verstärkung vor dem AD-Wandler. Verantwortlich dafür ist ein Pufferverstärker. So schreibt Rob Sherwood in der IC-7300 Yahoo-Gruppe: Hätten die Ingenieure anstelle des LTC6401-20 den LTC6401-14 als Pufferverstärker eingebaut, läge der Noise Floor 6dB tiefer und das OVL-Thema wäre entschärft.
Flex Radio scheint da wesentlich klüger gehandelt zu haben, wenn man den Tests Glauben schenkt.
Natürlich kann ich jederzeit den RF-Regler zurückdrehen, der auf einen PIN-Dioden-Abschwächer im Antennen-Eingang wirkt. Doch schön ist das nicht, zudem verliert das S-Meter dabei seine S9 Kalibration. Apopos S-Meter: das zeigt zwar ab S9 aufwärts ca. die richtigen Werte, aber unterhalb ist eine S-Stufe nicht 6dB, wie es sein sollte, sondern nur etwa 3dB. Schade, denn gerade von einem SDR erwarte ich, dass das S-Meter richtig kalibriert ist.
Ein Direct Sampler verhält sich grundsätzlich anders als ein Superhet. Auch kleine Signale erzeugen bereits Intermodulation. Doch diese verschwindet in der Regel im Bandrauschen und ist deshalb irrelevant. Damit diese Produkte auch bei sehr geringem Bandrauschen nicht auffallen, hat Icom eine IP+ Taste eingebaut. Wird diese betätigt, wird dem ADC weisses Rauschen eingespeist um damit die IM-Produkte zu kaschieren. Natürlich wird mit dieser Aktion aber auch die Empfindlichkeit schlechter. Auch der Übersteuerungspunkt des ADC erhöht sich nicht. Eine ziemlich sinnlose Aktion.
Denn listigerweise verringert sich die IM, wenn das Signal stärker wird - also gerade das Gegenteil wie bei einem Superhet. Kurz vor dem Übersteuerungspunkt, also kurz bevor dem ADC die Bit "ausgehen", ist die IM am geringsten.
Hinzu kommt noch eine andere Einenart der Direct Sampler: Ob ein Signal nun 2, 20 oder 200kHz entfernt ist, es erzeugt immer gleichviel IM. Und es wirkt sich auch immer gleich stark auf den ADC aus. Ein -8dBm Signal zum Beispiel kann daher auch 1MHz von der eingestellten Frequenz entfernt sein, es bringt den ADC immer zum Übersteuern.
Wenn dieser das letzte Bit aufgebraucht hat, dann kann er nicht mehr richtig arbeiten. Das ist bei uns Menschen nicht anders. Ob wir auch digitale Wesen sind?
Das sind die Gründe, wieso sich Direct Sampler und Superhet mit den bisherigen Methoden nicht vergleichen lassen.
Noch ein paar Worte zu der berühmten Liste von Rob Sherwood, die viele OM als so etwas wie den heiligen Gral betrachten: Die Liste ist zwar geordnet nach IMD bei 2kHz-Abstand. Doch lesen wir mal, was Rob selbst dazu sagt:
On SSB adjacent-channel splatter dominates over dynamic range for all but the worst radios. 13.8 volt rigs today have high enough transmit IMD that you have to be about 5 kHz away from that signal before the IMD is down 60 dB. Most radios today have a 2 kHz dynamic range of 70 dB or better. Many, of course, are 90 dB or better today.Im Übrigen empfehle ich, in Rob's Liste die Fussnoten zu beachten. Da gehen einem die Augen auf.
Bilder: Die Mount Whitney, das Kommandoschiff der 6. US-Flotte gestern in der Bucht von Villefranche. Übrigens gut bewacht von einer weiter draußen patrouillierenden französischen Fregatte, der F712 Courbet. Da fühlt man sich so richtig sicher, hier am Cap Nice ;-)
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