Montag, 30. November 2015
Eine neue Single
Morsetasten sind kleine Kunstwerke. Die kompliziertesten unter ihnen sind die Einarmigen, die Single Lever. Viele Morsekünstler, die mit Tempi unterwegs sind, bei denen normalsterbliche OM nur noch ein Zirpen hören, schwören auf diese einarmigen Banditen.
Zwar ist das Squeezen - das gleichzeitige Zusammendrücken beider Paddles - nicht möglich und einige Buchstaben verlangen daher nach "mehr Bewegung", doch mit zwei Paddel macht man auch doppelt so viele Fehler wie mit einem einzigen - wird behauptet.
Im Gegensatz zu Funkgeräten, die noch nie so günstig waren wie heute, steigen die Preise von Morsetasten immer weiter und haben schwindelerregende Höhen erreicht. Doch es sind eben keine Massenprodukte, sondern Kunstwerke, welche einzeln oder in Kleinserien liebevoll von Handarbeit zusammengebaut werden. Da hilft kein Bestückungsautomat, kein Reflow-Ofen und keine 50 Cents Hilfkraft - es braucht den Meister.
Von denen gibt es nicht mehr viele und die Morsekünstler unter den OM sind daher auch bereit, auf der Suche nach neuen Höhen der Perfektion fast jeden Preis zu zahlen. Auch wenn sie dann monatelang nur Kartoffeln und Brot essen müssen, oder die Soupe à la Grimace, welche ihnen die XYL serviert.
Morsen ist ja wieder groß im Kommen und so mancher OM, der eine morsefreie Lizenz ergattert hat, wendet sich dieser ältesten der digitalen Betriebsarten zu - notabene die einzige mit menschlichem Interface. In ein Mikrofon plärren kann ja jeder. Eigentlich bräuchte es dazu nicht einmal eine Prüfung.
Letzte Woche ist eine neue Single bei mir eingetroffen und ich habe mich sofort in sie verliebt. Diesmal stammt sie aus der neuen Welt. Mein Namensvetter Tony N3ZN fertigt in Pittsburgh, PA eine ganze Palette von wunderbaren Morsetasten: von Klopftasten über Iambic-Paddles bis zu den Singles.
Schon das Auspacken war ein Vergnügen. Ich habe selten ein so gut verpacktes Teil erhalten. Manchmal kommt bei mir die Ware an, als hätte sie schon eine Kuh im Maul gehabt.
Doch zurück zu der Single. Ich habe mich für die ZN-SLRjr entschieden, die kleinste Version, lackiert in Alt-Messing.
Ausgepackt und auf den Stationstisch gestellt, war sie bereits perfekt eingestellt. Mit ihrem leichten Hebel und den vielen winzigen Kugellagern ist sie extrem leichtgängig und präzise. Meines Erachtens sogar noch etwas besser als die HST von Begali, oben links im Bild. Die "Schnapsnase" von Palm ist zwar ebenso leichtfüssig unterwegs. Allerdings kann sie punkto Präzision nicht mithalten, aber sie spielt auch in einer anderen Preiskategorie.
Aufgefallen ist mir auch die sehr gute Standfestigkeit der Taste, dank ihren sechs Gummifüssen, sowie die angenehme Haptik des Kunststoffpaddles. Tony liefert ebenfalls einen Inbusschlüssel und eine Anleitung zum Nachjustieren mit. Die Korrespondenz mit ihm war sehr angenehm und die Lieferung erfolgte speditiv.
PS. Noch ein Tipp für HST-Besitzer: wenn diese mit der Zeit etwas schwergängiger wird, wirkt ein "Spruz" WD40 an der richtigen Stelle Wunder.