Dienstag, 14. Juli 2015

Von V/m aufs S-Meter



Die Ausbreitung via Bodenwelle spielt im Amateurfunk nur auf Lang- und Mittelwelle eine wesentliche Rolle. Die "Bodenwelle" ist die Funkwelle, die entlang der Erdoberfläche läuft und mit dieser in Wechselwirkung steht. Über Land beträgt ihre nutzbare Reichweite auf dem 80m Band im besten Fall einige zehn Kilometer, auf 160m etwas mehr. Aber auch nur dann, wenn die Antenne vertikal polarisiert ist, bzw. einen wesentlichen Teil der Sendeleistung vertikal polarisiert abstrahlt. Denn die Bodenwelle kann sich nur vertikal polarisiert ausbreiten.
Über Salzwasser ist die Reichweite der Bodenwelle wesentlich grösser - wegen der bessere Bodenleitfähigkeit.

Die ITU (International Telecommunication Union) stellt in einem ihrer Dokumente Diagramme zur Verfügung, die die Ausbreitung der Bodenwellen in Abhängigkeit von der Frequenz und der Erdoberfläche zeigen. Auch für den Funkamateur ist ein Blick darauf interessant.

Doch diese Diagramme geben die Feldstärke in  dB(uV/m) an. Notabene für eine abgestrahlte Leistung von 1kW (vertikale Polarisation).
Damit kann der OM mit seinem S-Meter nicht viel anfangen. Denn das zeigt - mehr schlecht als recht - den Pegel an der Antennenbuchse des Transceivers. Dabei entsprechen 50uV = S9 (auf UKW 5uV) und eine S-Stufe sollte 6dB sein.
Da es hier um Spannung geht, entsprechen 6dB einer Verdoppelung und -6dB sind die Hälfte. S8 wären dann 25uV und S7 12.5uV. Über S9 ist der Fall klar, da direkt dB angegeben werden. S9+20dB entsprechen daher 500uV, bzw. 0.5mV.
Doch wie gesagt: an der Antennenbuchse.

dB(uV/m), wie von der ITU angegeben, ist ein ganz anderes Kapitel.
Dass in diesem Fall 0dB = 1uV entsprechen, kann sich der OM noch ausdenken. Doch mit uV/m wird es schwierig. Das ist nämlich die Feldstärke zwischen zwei Punkten im Funkfeld, die einen Meter voneinander entfernt sind.

Aber wir haben ja nicht einfach zwei Messsonden im Meterabstand, sondern eine Antenne! Welchen S-Meter Ausschlag ein Signal von 1uV/m erzeugt, hängt also von der Antenne ab. Und natürlich auch von der Wellenlänge.

Diese Zusammenhänge und wie man rechnerisch von V/m auf Volt am 50 Ohm Antenneneingang kommt, zeigt Iacopo Giangrandi sehr schön auf seiner Webseite. Und für die, denen Formeln ein Graus sind, hat er gleich noch einen Rechner auf seine Seite gepackt. Dort kann man die Frequenz, den Antennengewinn und zum Beispiel die Feldstärke in V/m eingeben und erhält dann die Signalstärke.
Und da Iacopo Ingenieur ist, natürlich in dBm und nicht in S-Units ;-)
Aber wir haben ja alle den kleinen Jahreskalender der Zeitschrift Funkamateur und darin finden wir eine Tabelle. S9, sagt diese, seien -73dBm.

Wenn euch bis hierher noch nicht der Kopf raucht, so versteht ihr nun, wie die ITU-Kurven zu interpretieren sind. Mit Iacopos Rechner erhalte ich zum Beispiel für 2 MHz, einen Antennengewinn von 0dB und ein S9 Signal (-73dBm) eine Feldstärke von  0.000003251 V/m. Das sind 3.251 uV/m.

Das würde eine recht gute Reichweite ergeben, sogar über Land. Denn 3.251uV liegt zirka 10dB über 0dB(uV/m). Das heißt, wir lesen in den Diagrammen die Reichweiten auf der 10dB-Linie ab.

Doch leider haben unsere Antennen auf 80m und schon gar nicht auf 160m einen Antennengewinn von 0dB, sondern meist weniger (z.B. -10dB mit allen Verlusten) und sind oft horizontal polarisiert. zudem senden wir oft mit 100W anstatt mit 1kW wie in den ITU-Kurven. Auf 472kHz und auf 136 kHz sieht es noch viel schlechter aus.

Daher gehen die Meinungen der OM zum Teil extrem auseinander, wenn über die Bodenwellen-Reichweite im 160m Band diskutiert wird. Der eine sendet mit seinen 100W und Dipol im voralpinen Hügelland, der andere sitzt mit seinem Kilowatt und 20m Vertikal an der Küste.

Bild: Eine veritable "Bodenwellen-Sperre". Eiger, Mönch und Jungfrau, von meinem QTH aus gesehen.

PS. Für dB-Dummies: hier ein dB Rechner