Mit Abstand am meisten gelesen wurden bisher meine Blogeinträge Funken ohne Antenne und Eine unsichtbare Antenne für Kurzwelle.
Einerseits ist es zwar erfreulich, dass sich so viele Funkamateure für Antennen interessieren, ist sie doch das wichtigste Element einer Funkstation. Andererseits ist sie offenbar auch das grösste Problem des Funkamateurs in der heutigen Zeit.
Wie einfach wäre doch das Funkerleben, wenn man bloß einen schönen Transceiver zu kaufen bräuchte, und schon wäre man QRV. Was für ein Anachronismus in der Zeit von Smartphones und Fratzenbuch, dass man erst eine Prüfung bestehen und dann noch umständlich eine Antenne montieren muss!
Die Prüfung ginge ja noch, schließlich braucht man zum Autofahren auch eine. Aber eine Antenne in unserer urbanen Gesellschaft ist ein Pain in the Ass, wie die Amerikaner sagen.
Kein Wunder ist das Interesse für einen antennenlosen Funkverkehr riesengroß.
Um diesem Trend entgegenzukommen, habe ich wieder einmal keine Kosten und Mühen gescheut und einen Versuch gewagt. Ich habe eine Nacht lang "ohne Antenne" gefunkt.
Nicht auf 20m, das wäre zu leicht gewesen. Abgesehen davon ist in den Zeiten der mangelnden Sonnenflecken das 20m Band nachts wegen der bescheidenen Ionosphäre geschlossen.
Nur das 80m Band bleibt die Nacht durch geöffnet.
Deshalb fiel meine Wahl auf dieses Band. Zumal die Antennen-Not hier gross ist. Nur auf 160m ist sie noch größer. Wer kann sich in Balkonien schon einen langen Draht leisten? Auch verkürzte Endfeed-Antennen stoßen da rasch auf Nachbars Grenzen.
Doch auf 80m "ohne Antenne" zu funken, war mir nicht genug. Der Challenge musste noch etwas grösser sein. Heute macht man auch nicht mehr einfach Bungeejumping für den wöchentlichen Adrenalinkick, es muss schon ein Wingsuit sein. Deshalb nahm ich mir vor, nicht nur ohne Antenne auf 80m zu funken, sondern dabei auch richtiges DX zu machen, bzw. wie Marconi den großen Teich aetherisch zu überqueren.
Wer keine Antenne hat, braucht einen Ersatz. Möglichkeiten gibt es viele, sie sind nur durch die Kreativität des OM beschränkt.
Mein Kreativitätslevel war gestern nicht besonders hoch und so griff ich zu einer bewährten Lösung und schloss den Transceiver einfach an den Blitzableiter an.
Ja, ich weiß, auch ein Blitzableiter kann eine Antenne sein. Er ist ja dazu bestimmt, Blitze zu "empfangen."
Wer keine Antenne hat, muss eben ein bisschen mogeln ;-)
Doch auch "ohne Antenne" braucht man ein Gegengewicht. Um mir nicht weiter den Kopf zu zerbrechen, schloss ich die "Erde" einfach an einer anderen Stelle des Blitzableiters an - zirka 6m weiter entfernt.
Für Gleichstrom ist das natürlich ein Kurzschluss, doch die Hochfrequenz sieht das etwas anders. Es macht ihr auch nichts aus, dass der Blitzableiter unten im Boden verschwindet.
Bedingung ist, dass man einen Antennentuner verwendet. Nicht einen automatischen, der würde bei diesen Verhältnissen u.U. anfangen zu spinnen. Handbetrieb ist also angesagt.
Kürzlich hatte ich ja so ein Ding gebaut und in diesem Blog beschrieben. Inzwischen habe ich noch einen weiteren gebaut. Nicht weil das notwendig gewesen wäre. sondern weil das Material dazu in der Bastelkiste lag und ich gerade nichts anderes zu tun hatte ;-)
Version 2 ist vom gleichen Typus und etwas kräftiger. Zudem ist der Abstimmbereich grösser. Die Induktivität des PI-Tuners geht bis 32uH, die Eingangskapazität kann man bis auf 8nF hochschalten und die Ausgangskapazität bis auf 900pF.
Damit lässt sich meine "Blitzantenne" auch noch auf 160m abstimmen.
Abgestimmt wird sie im Empfang auf maximales Rauschen oder mit einem Antennen-Analyzer. Mit etwas Üben kriegt man das rasch in den Griff.
Wer keinen Blitzableiter hat, kann auch eine Dachrinne, ein Balkongeländer einen Zaun oder irgendein anderes leitfähiges Medium benutzen. Man kann fast alles anpassen, sogar den Nullleiter der Steckdose.
Das macht ihr aber auf eigenes Risiko und ich lehne jede Verantwortung für den Fall ab, dass ihr es vergeigt und zu einem Kandidaten des Darwin-Awards werdet. Ohne Antenne zu funken, kann lebensgefährlich sein!
Aber es gibt noch etwas anderes zu beachten. Wer ein Kilowatt auf den Blitzableiter speist, muss sich nicht wundern, wenn sämtliche elektronischen Geräte mitsamt ihren Benutzern Amok laufen.
Deshalb habe ich meinen Versuch auf 5W beschränkt.
Natürlich kann man "ohne Antenne" auf 80m kaum in SSB DX-QSO's fahren. Aber dafür gibt es ja die digitalen Modulationsarten aus der WSJT-Familie.
Um herauszufinden, was alles mit dieser Einrichtung möglich ist, habe ich WSPR laufen lassen - wie erwähnt mit 5 Watt. Hier das Resultat:
Natürlich waren die Signale auf der anderen Seite des grossen Teichs schwach. Doch die meisten Stationen könnten auch in einem "echten QSO" mit JT9 oder JT65 gearbeitet werden, wie diese Tabelle zeigt.
Der Vollständigkeit halber hier noch ein Auszug aus der Liste der Stationen, die mein WSPR-Signal empfangen haben:
Der Blitzableiter, der wie ein Kupfermantel über das Hausdach gespannt ist, nimmt leider die Störungen der chinesischen Schrottelektronik aus dem ganzen Haus auf. Darunter leidet der Empfang. Daher ist mir der Empfang von Stationen aus den USA nicht gelungen. Da würde eventuell eine aktive Rahmenantenne für den Empfang helfen. Trotzdem registrierte mein Decoder eine ganze Reihe Stationen aus Europa. Mit den meisten wäre auch ein QSO in JT9, JT65 oder gar FT8 möglich gewesen.
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