Freitag, 14. August 2015

Gute alte KW-Transceiver: Teil 1, die ICOM's

Alte KW-Transceiver findet man auf den Flohmärkten und im Web zuhauf. Doch die Wahl ist nicht leicht. Besonders auf den Newcomer warten viele Fallstricke.

Ich funke seit 45 Jahren mit Lizenz und die Reihe der Geräte, die dabei über meinen Stationstisch gezogen ist, ist lang. Über meine Erfahrungen, die guten und die schlechten, möchte ich in den nächsten Blogeinträgen berichten. Vielleicht kann ich mit dem einen oder anderen Tipp meinen Lesern helfen. Doch die Wirklichkeit hat viele Facetten und meine Sicht der Dinge ist nur eine davon. Ich erwarte nicht, dass alle Leser mit allem einverstanden sind, was ich schreibe. Aber schließlich ist das Lesen meines Blogs freiwillig ;-)

Vor allem bei Newcomern sind eierlegende Wollmilchschweine gefragt - Alleskönner. Für den ICOM IC-706 in all seinen Varianten werden deshalb immer noch hohe Preise verlangt. Eine komplette KW/UKW-Station in einer kleinen Kiste ist eine Verlockung.
Ich hatte zwei dieser Geräte. Wer gerne SSB oder gar CW auf 2m und 70cm macht, ist damit nicht schlecht bedient. Doch die 706er wurden als Mobilgeräte konzipiert. Als KW-Transceiver im Heimbetrieb offenbaren sie gewisse Schwächen. Neben einer umständliche Bedienung hat mich vor allem gestört, das sie große und gute Antennen schlecht vertragen (IMD).

Bei den Funkamateuren, die mit ihren Schiffen auf den Weltmeeren unterwegs sind, ist der 706er aber beliebt. Ist er doch weniger anfällig und erzeugt weniger Abwärme als sein Nachfolger der IC-7000. Und mit dem Achterstag als Antenne kommt der IC-706 in der Regel noch gut zurecht.
Wer CW macht, sollte sich ein Zusatzfilter besorgen und wegen der schlechten Frequenzkonstanz ist auch der zusätzliche TCXO ein wichtiges Zubehör (CR-502). Besitzt die erspähte Occasion diese Optionen nicht, so kommen zusätzliche Kosten von 150 bis 200 Euro hinzu, sofern man diese Teile überhaupt noch auftreiben kann. Das gilt übrigens für alle älteren Occasionsgeräte und wird oft vergessen.

Wer auf UKW verzichten kann und einen günstigen KW-Transceiver sucht, sollte die Serie IC-728 und IC-729 (mit 6m) genauer ansehen.



   Diese wenig beachteten und daher oft günstigen Occasionen stammen aus der Vor-Menü-Zeit. Trotzdem ist alles drin, was der OM für's QSO-Fahren braucht. Ich habe mit beiden gute Erfahrungen und viele QSO's gemacht.
Auch ein guter Kleiner und häufiger anzutreffen ist der IC-735. Allerdings habe ich mich mit seinen Schiebereglern nie anfreunden können. Sie befinden sich unter einer mechanisch fragilen Klappe. Aber auch dieser Transceiver hat alles was der OM braucht. Nur das 6m-Band fehlt. Vor dreißig Jahren war dieses Band in Europa noch ein Wunschtraum.




















Soweit die kleinen ICOM's, die bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Unter den grösseren KW-Transceivern, den "Schlachtschiffen", ist mir der IC-751 in Erinnerung geblieben. Von seinen Vorgängern würde ich eher abraten (740, 745). Der IC-751 ist ein ausgezeichnetes Gerät und klingt immer noch besser, als die modernen, mit DSP-Artefakten verseuchten, Transceiver. Er hat nur einen Fehler: Die Software seines  Betriebssystems sitzt auf einem flüchtigen Speicher. Muss die interne Batterie gewechselt werden, muss er zurück in die Werkstatt. Versucht man selbst einen Batteriewechsel, sitzt man danach vor einem gehirntoten Gerät. Allerdings findet man bei PIEXX ein RAM für den IC-751, das anstelle des flüchtigen Speichers eingesetzt werden kann.


















Einer der besten Transceiver, die ich je hatte, war der IC-765. Eine wesentlich verbesserte Version seines Vorgängers IC-761, von dem ich eher abraten würde. Von DSP noch keine Spur, dafür mit einer Schiffsladung von Quarzfiltern. Allein diese alle nachzubestücken - sollten sie nicht vorhanden sein - kostet ein kleines Vermögen. Doch so gut der IC-765 auch war: ich musste bisher an keinem Gerät soviel reparieren. Vom Trafo im eingebauten Schaltnetzteil, über schlechte Lötstellen, bis zu abgesoffenen Trimmern im PLL.





















Sein Nachfolger, der IC-775 war ICOM's erster Schritt in die digitale Signalverarbeitung. Daher empfiehlt es sich, diesen Schritt zu überspringen. Dann kam die 756er Serie, die im Pro III gipfelte. Alle vorher gemachten DSP-Erfahrungen kulminierten in diesem "Schlachtschiff".
Aber ich will euch jetzt ein Geheimnis verraten: Mit dem IC-765 hörte ich mindestens ebenso gut und der Sender war besser. Allerdings ohne 6m und ohne Spektrumanzeige - ein Tool, das ich sehr geschätzt habe.



Jetzt haben wir die kleinen und die großen ICOM kennengelernt. Es gibt aber noch ein paar interessante "Mittelgrosse"
Sie sind die eigentlichen Perlen der langen Reihe von ICOM-Transceivern seit der Gründung des Unternehmens im Jahre 1954. Sie entstanden ebenfalls noch vor der DSP-Ära und besitzen nur einfache Menüs. Alles was der OM braucht, befindet sich auf der Frontplatte in Reichweite. Der erste dieser mittleren Transceiver war der IC-737. Auch heute noch ein gutes Gerät. Schon bald danach kamen die Zwillinge IC-736 und IC-738 auf den Markt. Der 736 ist also neuern Datums als der 737!


Der 736er hat im Gegensatz zur abgespeckten Version 738 ein eingebautes Netzteil und das 6m Band. Er wurde hauptsächlich in den USA verkauft und ist in Europa entsprechend rar. Ich habe diesem Gerät bereits einen separaten Blogeintrag gewidmet.
Ich besaß alle drei als Occasionen, und bei allen drei war der Antennentuner kaputt (Dioden). Keiner der Verkäufer hatte mich vorher darüber informiert. Offenbar eine Schwachstelle im Gerät und beim Ham Spirit.
Ein Occasionsgerät zu kaufen, ist immer ein Risiko. Viele Geräte werden gerade deshalb verkauft, weil sie eine Macke haben. Oft auch Fehler, die nur schwer zu entdecken sind (sonst wären sie schon längst geflickt worden).
Die hier vorgestellten Transceiver sind alle 25, 30 oder mehr Jahre alt und nähern sich dem Ende der Badewannenkurve. Mit plötzlich auftretenden Fehlern ist zu rechnen und Ersatzteile sind oft nicht mehr verfügbar. Dieses Risiko einzugehen lohnt sich nur, wenn der Preis günstig und der OM kein Steckdosenamateur ist. Man kann das Risiko etwas mindern, wenn man den Verkäufer persönlich kennt und das Gerät vorher ausprobieren darf.
Sonst ist der Kauf eines neuen Gerätes die bessere Entscheidung.

Ein guter Indikator bei der Auswahl sind die Product Reviews auf Eham. Tauchen dort bestimmte Klagen gehäuft auf, ist sicher der Wurm drin.