Sonntag, 10. September 2017
Leben im zweituntersten Stockwerk
Ob es ein Leben nach dem Tod gibt, weiß ich nicht. Aber es gibt ein Leben unterhalb des Mittelwellen-Rundfunks, sozusagen im zweituntersten Stock des Amateurfunks.
Wer sich soweit nach unten verirrt und über die Schwelle ins 630m Band stolpert, dem erschließt sich eine neue Welt.
"Das ist doch nur etwas für Spezialisten und Tüftler", werden wohl viele sagen und kehren nach einem Streifzug übers Band wieder in die oberen Stockwerke zurück.
"Außerdem fehlt mir die Antenne und mein Transceiver kann nicht dort unten senden". fügen sie vielleicht noch hinzu, bevor sie wieder nach oben kurbeln.
Dabei war es noch nie so einfach, im Band zwischen 472 und 479 kHz QRV zu werden.
Entfernt man beim "Volkstransceiver" IC-7300 zwei Dioden, sendet er auch im MW-Band. Zwar nicht mit 100W, aber mit 20W, und das reicht bereits für interessante Verbindungen.
Ein langer Draht reicht als Antenne für erste Versuche. Einige zehn Meter und so hoch wie möglich.
Moderne Antennenanalysatoren können auch Lang- und Mittelwelle. Da findet man rasch heraus, was dem Draht noch fehlt. Meist wird der Realteil der Impedanz im zweistelligen Ohm-Bereich liegen. Und wenn man nicht gerade Großgrundbesitzer ist, wird der Imaginärteil der Impedanz negativ sein. Das bedeutet: die Antenne ist kapazitiv, also zu kurz, und braucht eine Spule zur Verlängerung.
So sieht das in meinem Fall aus, wenn ich den Analyzer zwischen Draht und Erde klemme:
"36 Ohm ist ja nicht schlecht und nicht weit weg von der Kabelimpedanz", werdet ihr einwerfen. Leider setzen sich die 36 Ohm Realteil aus dem Strahlungswiderstand und dem Verlustwiderstand der Antenne zusammen. Ersterer liegt leider meist im unteren einstelligen Ohm-Bereich oder darunter und der Wirkungsgrad der Antenne ist dementsprechend mies.
Trotzdem: wir könnten in meinem Fall ja versuchen, die 366.7pF Antennenkapazität mit einer Spule zu kompensieren. Rasch den Taschenrechner gezückt und die Formelsammlung von der Afu-Prüfung hervorgeholt: 308.75mH müssten es sein. Am besten ein wenig abstimmbar - als Variometer zum Beispiel - sodass man genau abstimmen kann. Mehr ist für einen ersten Lauf nicht notwendig. Die 36 Ohm passen ohne allzu großes SWR direkt ans Kabel.
Habt ihr das Glück, einen wesentlich niedrigeren Realteil zu messen - sagen wir mal 10 Ohm - habt ihr zwar einen kleineren Verlust, und daher eine effizientere Antenne, aber auch ein zusätzliches Problem: damit das SWR nicht zu hoch ausfällt, müssen die 10 Ohm an die 50 Ohm des Kabels angepasst werden. Zum Beispiel mit einem Trafo. Das ist etwa ein Ringkern aus 43er Material. Primär 20 Windungen, sekundär 9 Windungen. Auch hier können ein paar Anzapfungen zur Abstimmung nicht schaden. Mutige zapfen gerade ihr Variometer an und lösen so beide Probleme in derselben Spule.
Hier sehen wir, wie es der bekannte Längstwellen-Pionier Wolfgang DL4YHF gemacht hat.
Jetzt sollten wir mit dem IC-7300 auf Mittelwelle bereits WSPR oder JT65 können. Auch für CW-QSO's über ein paar hundert Kilometer dürfte es reichen.
So weit so gut. Was uns aber brennend interessiert: wieviel Leistung strahlt unsere viel kurz geratene Antenne eigentlich ab? In HB9 sind ja 5W EIRP und in Deutschland sogar nur 1W EIRP zugelassen.
Um das herauszufinden gibt es eine tolle Funkperle im Web, nämlich dieses Tool hier.
Ich gebe also die Daten meiner Antenne ein - ein liegendes L mit 12m Höhe und 43m Länge. Da die gemessenen 36 Ohm zum allergrössten Teil aus Verlustwiderständen bestehen dürften, gebe ich auch gerade 36 Ohm in den Simulator ein und drücke dann auf "GO".
Das Resultat ist verblüffend. Die Kapazität der Antenne weicht nur wenig von dem ab, was ich gemessen habe:
Für 5W EIRP brauche ich demnach 172.2 Watt. Für 1Watt würden 56.5W reichen.
Bilder: Leben auf Bornholm.
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