Mittwoch, 23. Dezember 2015
Eine Weihnachtsgeschichte
Es war einmal ein Stockcorner Tuner JC-4, der klapperte leise vor sich hin, wenn der OM auf den Abstimmknopf drückte. Er hing für 160 bis 10m an einem langen Draht, an einer Inverted L, um genau zu sein.
Da die Kondensatoren im Tuner aus billigem Keramik gemacht waren, hauchten schon bald ein paar von ihnen ihr Leben aus und wurden schwarz vor lauter HF. Für ein Kilowatt waren sie nie gemacht worden, im Gegensatz zu ihren russischen Nachfolgern.
Ihr Einsatz beruhte auf Glauben und Hoffnung und weniger auf Datenblatt und Sachverstand.
Wieder im Besitz seiner vollen Kapazitätskraft, klapperte der Stockcorner zufrieden vor sich hin, wenn der OM den Abstimm-Knopf drückte. Bis vor wenigen Tagen.
Wie so oft im Leben, fängt es sanft und kaum merklich an. Und so war es auch bei unserem Tuner:
Es schien, als habe er vergessen, was ein ordentliches SWR ist. Ob das am ersten Schnee oder am Nebel lag, wissen wir nicht. Aber immer mehr und immer öfter hielt er ein SWR von 1:1.5 oder gar 1:2 für richtig. Zum Schluss freute er sich gar über 1:3 oder die Unendlichkeit.
Der OM an der Taste wurde langsam nervös. Er begann, mit seinem Transceiver rumzuspielen. Es war ein Woody der alten Sorte, ein TS-590. Und dann fiel unserem OM etwas ganz Besonderes auf: Der Tuner schien sich zwar an frühere Frequenzen zu erinnern, und verschönerte dort das SWR des Drahtes auf sagenhafte 1:1. Doch mit neuen Frequenzen konnte er nichts mehr anfangen. Er klapperte eine Weile, dann warf er seine Kondensatoren ins Korn.
Aha! Dachte der OM. Der Tuner hat Alzheimer. Sein Langzeitgedächtnis funzt zwar noch. Aber er hat seinen Auftrag vergessen.
Der OM dachte die halbe Nacht über das Problem seines Tuners nach und kam zum Schluss: Die Spulen und Kondensatoren mussten noch in Ordnung sein, genauso wie das Langzeitgedächtnis in den vielbeinigen integrieren Schaltungen im Bauch des Tuners. Doch seine Sensoren, mit denen er SWR, Impedanz und Phasenlage misst, hatten wohl das Zeitliche gesegnet.
Was tun im vorweihnächtlichen Stress? Das Schwiegermonster war im Anmarsch, der Baum noch nackt und ungeschmückt. Ein Konflikt zwischen Lametta und Tuner tat sich wie eine tote Zone vor dem OM auf.
Glücklicherweise hatte der OM vorgesorgt. Er begab sich in die Tiefe seines Bastelbunkers und behändigte dort einen CG-3000, der ihm ein Weihnachtsmann mal in die Socken gestopft hatte.
Der Tausch war kurz und schmerzlos und der CG-3000 klapperte genauso lustig vor sich hin wie der Stockcorner in seinen besten Zeiten. Natürlich nicht mit QRO, aber 100 Watt sind auch nicht zu verachten in diesen Zeiten und für die Taste eh genug.
Nun liegt der Stockcorner mit geöffnetem Bauch auf dem Operationstisch des OM. Er wird sich später um seine kaputten Sensoren kümmern und hofft darauf, nur ein paar Dioden wechseln zu müssen. "wenn ich Schwein habe", dachte er. "If I have Ham".
Doch die Geschichte ist damit noch keineswegs zu Ende. Was hatte den Tuner so verstört, dass er seine Sensor-Augen vor dem SWR verschloss und den Sinn und Zweck seiner Tätigkeit vergas? Ein Elektrovirus? Ein Gedankenfehler seines geistigen Vaters? Falsche Gene in der Platine?
In einer kurzen Baumschmuckpause, noch mit Lametta um den Hals und Christbaumkugeln im Schlepptau, ist dem OM etwas aufgefallen, das ihm die restlichen Haare zu Berge stehen ließ. Der CG-3000 suchte zwar fleißig nach dem besten SWR, wenn er ihm einen Schuss HF durch die Kupferadern schickte, und der treue Tuner ließ sich dabei auch nichts anmerken.
Doch Schreck lass nach und komm nie wieder: Der Woody schickte dem Tuner nicht etwa ein 10 Watt Signal wie früher, sondern gleich volle Pulle: ganze 100 Watt.
Wieso? Warum? Und wie lange dauerte dieses unsittliche Gebaren des Woodys schon? Hatte vielleicht gar der Woody den Stockcorner abgeschossen, indem er ihn zum Abstimmen mit 10 Zusatz-Dezibel fütterte? Fragen über Fragen, die dem OM durch seinen weihnächtlichen Kopf schwirrten.
Anzumerken ist bei dieser Gelegenheit, dass der OM die frei programmierbare Taste namens PF mit dem Aussenden eines Abstimm-Signals beauftragt hatte. Dass da beim Drücken in der letzten Zeit 100 anstelle von 10 Watt rausgekommen waren, hatte der OM im Weihnachtsstress wohl übersehen.
War der Woody also kaputt, angeschlagen durch fehlerhaftes Morsen oder anderen Unbill?
Noch war das anrollende Schwiegermonster nicht eingetroffen, und der OM nutzte die Restzeit bis zur Stunde Null, um das Mysterium zu ergründen.
Und jetzt kommt es, wie es in einer guten Story kommen muss. nämlich zu einem Happy Ending. Zumindest zu einem halben, denn der Stockcorner ist ja noch nicht repariert.
Der OM erinnerte sich nämlich daran, dass er vor einiger Zeit seinem Woody ein Update beschert hatte. Doch das allerletzte "Aufdatum" stand noch aus: das von 2.01 auf 2.02.
Der Computer war rasch angeschlossen, die Prozedur verlief einwandfrei. Der Woody war in Nullkomanix auf dem allerneusten Stand. Und siehe da: er spendierte dem Tuner wiederum 10W zum Abstimmen, wie er das schon immer getan hatte.
Fassen wir diese Weihnachtgeschichte nochmals kurz zusammen.
Mit dem Update der Firmware des Kenwood auf 2.01, lieferte der Transceiver beim Drücken einer der programmierbaren Tasten ein Abstimmsignal von 100W anstatt 10W. Notabene unbemerkt vom OM. Damit wurde der Stockcorner abgeschossen. Auch das bemerkte der OM nicht, da er immer die gleichen Frequenzen benutzte und die wurden nicht neu abgestimmt, sondern aus dem Memory bedient. Ein Upgrade der Firmware des TS-590 auf die letzte Version hat den Fehler im Transceiver behoben. Der Stockcorner JC-4 wartet noch auf die Reparatur.
Frohe und friedliche Weihnachten
Bild: Das Erdgeschoss des JC-4. Am linken Bildrand die Sensoren.