Freitag, 26. Mai 2017

Im Irrgarten der Kondensatoren

Wer selbst baut, braucht Kondensatoren. Oft fördert ein tiefer Griff in die Junk Box das benötigte Teil ans Licht der Sparlampe - andernfalls bestellt der OM im Web. Entweder beim Distributor seines Vertrauens oder mit der Hoffnung auf ein Schnäppchen bei Ebay.

Kürzlich habe ich dort ein paar Elkos gefunden, die genau meinen Vorstellungen entsprachen: 1000uF, 250V, tiefer ESR, und erst noch von Rubycon, einem der Top-Hersteller. Natürlich aus dem Land der Morgenröte, Free Shipping, versteht sich.



Erst als die Kondensatoren auf meinem Basteltisch landeten, fiel mir ein "winziges" Detail auf dem Datenblatt auf: Der Typ auf meinem Tisch kam darin nicht vor!
Rubycon fertigt diesen Kondensator (USR) nur in 85 Grad Ausführung und nicht in 105 Grad, wie ich sie erhalten hatte. Und so fügte sich ein weiteres chinesisches Rätsel an die vielen anderen, die noch auf eine Lösung harren.

Eins dieser Rätsel habe ich aber in der Zwischenzeit lösen können: Was ist ein CBB-Kondensator?

Die Palette an Folienkondensatoren scheint für den Laien unübersichtlich und es gibt ein Wirrwar von Bezeichnungen. Dabei sind für den OM nur drei Typen von Relevanz (Achtung! Stark vereinfacht):

1. Die Polyester-Kondensatoren, kompakte Massenware für wenig anspruchsvolle Aufgaben. Meistens sind sie mit MKS bezeichnet. Sie vertragen Frequenzen oberhalb des Audiobereichs schlecht.



2. Die Polypropylen-Kondensatoren für anspruchsvolle Aufgaben u.a. als Entstörkondensatoren (X2) und - für OM wichtig - in höheren Frequenzen brauchbar (LW/MW). Sie sind meist mit MKP markiert und tragen oft auch die Bezeichnung X2.



3. Polystyrol-Kondensatoren für Filteranwendungen bis in den KW-Bereich. Die Old Timer unter den OM kennen sie unter dem Namen Styroflex. KS wird manchmal als Bezeichnung benutzt.



Aber die meisten kennt man wegen ihrer typischen Erscheinung:


Sie sind sehr temperaturstabil aber sie vertragen Wärme schlecht. Beim Löten ist deshalb Vorsicht angebracht. Styroflex-Kondensatoren werden heute nicht mehr hergestellt, sie wurden durch keramische NPO-Kondensatoren substituiert. Aber es gibt noch Unmengen von NOS (New Old Stock).

Doch zurück zum chinesischen Rätsel: Die Chinesen haben für Folienkondensatoren eigene Bezeichnungen und eine eigene Norm. Darüber etwas in den Tiefen des Internets zu finden, ist nicht einfach. Doch chinesische Folienkondensatoren gibt es wie Sand am Meer, wie ein Streifzug auf Ebay zeigt. Im wesentlichen gibt es zwei Sorten: Die billigen Grünen und die Rostroten.


Die Grünen sind nichts anderes als Polyester-Kondensatoren (MKS). Während westliche Fabrikanten wie WIMO ihre Kondensatoren in kleinen Kunststoffboxen eingießen, taucht man in Fernost den Folienwickel einfach in ein Harz. Dabei scheinen alle das gleiche Grün zu gebrauchen ;-) aber vielleicht stammen alle einfach aus derselben Fabrik? Aufgedruckt ist oft nur der Kapazitätswert, alles andere darf man erraten.

Die Rostroten, die in seltenen Fällen auch mal blau sein können, tragen die Bezeichnung CBB21 oder CBB22. CBB steht im fernen Osten für Polypropylen-Kondensatoren, also das Äquivalent unseres MKP. Sie sind bei gleicher Kapazität und Spannung etwas grösser und natürlich auch teurer als die grünen Polyester-Kondensatoren. Man findet sie u.a. in Netzteilen aus Fernost als Störschutzkondensatoren. Für Lang- und Mittelwellen Fans sind sie besonders interessant.



Alle Folienkondensatoren unbekannter Art habe ich inzwischen aus meiner Bastelkiste verbannt. Drei Sorten genügen mir vollkommen. Im Alter muss man einiges vereinfachen ;-)

OT
Wisst ihr was ein Googol oder gar ein Googolplex ist? Es ist etwas, das wir uns kaum vorstellen können:


Und ja: Googol hat sehr wohl etwas mit Google zu tun. Es ist der Ursprung für den Namen der Suchmaschine.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Leider werden auch CBB21-Kondensatoren "gefälscht". Hatte welche über eBay bestellt und mit einem LCR-Messgerät den Verlustfaktor gemessen. Bei 1kHz ist er 0.003, bei 10 kHz 0.009 - das sind typische Werte für Polyesterkondensatoren. Bei einer zweiten Lieferung ist der Verlustfaktor ein Zehntel davon, so wie man es für Polypropylenkondensatoren erwarten kann.