Freitag, 22. Januar 2016

Antennenanpassung ohne "auswendig zu können"

Am 1. Februar wird in DL zur Pflicht, was anderswo schon lange Usus ist: die IBAN bei Überweisungen. Wie soll man sich bloß 22 Ziffern merken? Das werde Schwierigkeiten geben, wird geunkt. Tipps werden rumgeboten
Mir ist das unerklärlich. Ich habe noch niemanden getroffen, der seine IBAN auswendig kennt und kam auch noch nie in die Verlegenheit, meine auswendig wissen zu müssen.
Wieso auch? Beim Internet Banking musste ich sie noch nie eingeben ;-)

Aber eigentlich wollte ich heute über etwas anderes schreiben. Nämlich über die armen Kondensatoren in den automatischen Antennentunern. In meinen beiden Stockcorner JC-4 sind sie so winzig klein und tragen trotzdem eine große Last und haben wohl auch das grösste Risiko eines frühen Exitus.

Doch wie bereits früher erwähnt: echte HF-Kondensatoren sind teuer, sehr teuer.

Ich habe mir mal zum Spaß ein paar Anpassungen meines Tuners auf LTspice simuliert. Mit diesem und ein paar anderen feinen Tools aus dem Web kommt man ganz ohne Formeln auswendig zu können oder rechnen zu müssen auf interessante Schlüsse. Hier ein Beispiel:

Meine abgewinkelte L-Antenne hat auf 1825 kHz eine Impedanz von 60 + j357 Ohm. Eznec 6+ sagt zwar etwas anderes, aber das liegt daran, dass ich meine komplizierten "Erdverhältnisse" nicht kenne.

Diese Impedanz ist, wie wir wissen, eine komplexe Zahl.
60 Ohm ist dabei der Realteil - zusammengesetzt aus dem Wirkwiderstand und den Verlustwiderständen der Antenne. Die 357 Ohm ist der Wert der Reaktanz oder Blindwiderstandes, darum das j davor. Das Plus bedeutet, dass die Reaktanz induktiv ist. Kein Wunder, denn mit insgesamt ca. 55m ist meine Antenne länger als ein Viertel Wellenlänge für 1825 kHz. Man müsste sie also verkürzen.
Das könnte man mit einem in Serie geschalteten Kondensator tun, der mit einem Xc von -357 Ohm die induktive Reaktanz kompensiert. Was dann bleibt, sind die 60 Ohm Realteil und das SWR wäre somit fast schon perfekt.
Der benötigte Kondensator müsste dann ca. 244 pF haben, wie jeder OM ausrechnen kann, der noch prüfungsfähig ist. Für die anderen gibt es diese Tool hier: Ein Reaktanzrechner, der auch rückwärts rechnet. Das heisst: ich kann die Reaktanz und die Frequenz eingeben und erhalte dann Mikrohenry oder Picofarad, je nach Bedarf.

Aber automatische Tuner haben keine Seriekondensatoren für solche Fälle. Sie arbeiten mit Spulen in Serie und Kondensatoren gegen Erde.

Was macht also der Tuner, wenn er die 60 + j357 Ohm sieht?
Das könnte man jetzt auch rechnen, aber dieser Stoff wird sogar in der US Extra Klasse nicht verlangt. Außerdem hatte ich mal einen Prof, der uns gesagt hat: "Meine Herren, entwickeln sie eine gesunde Faulheit." In der Folge ist dieser Satz zu einer meiner Lebensregeln geworden.

Wir nehmen deshalb ein zweites Tool aus der Tiefe der Matrix, das von Wolfgang DG0SA, geben dort frech unsere Impedanz ein und schwupp ist das Resultat da: Der Tuner braucht zur Anpassung an unser 50 Ohm Koax eine Serieinduktivität von 28.488 Mikrohenry gefolgt von einem Parallelkondensator von 498.43 pF. Nebenbei registrieren wir noch, dass uns Wolfgang eine Spannungsüberhöhung von 6.61 prophezeit. Wir werden uns später daran erinnern.

Aber als nächstes benutzen wir ein anderes Tool, das wir gratis aus dem Web gefischt haben: LTspice. Das kann nämlich mehr, als man denkt. Und so zeichnen wir frischfröhlich unser Tuner-Schema für Antons komische Antenne und eine Frequenz von 1825 kHz:



  Der Tuner wird durch L1 und C1 dargestellt - ich habe die Werte etwas gerundet. Die Quelle liefert 316.22 Volt bei 1825 kHz am Eingang des Tuners.

Das ist die Spitzenspannung, die dort bei einem Kilowatt Sendeleistung anliegt. LTspice will nämlich die Spitzenspannug und nicht RMS.
Ausnahmsweise haben wir diese Spannung ohne Tool gerechnet. Ihr wisst ja: U=Wurzel aus P mal R. Und Spitzenspannung = RMS mal Wurzel aus 2. Das kann sogar mein Smartphone.

Am Ausgang habe ich mit L2 und R1 die Antenne simuliert. Die 31.15 Mikrohenry für die Spule holen wir uns aus dem Reaktanzrechner, der auch rückwärts kann.

So, jetzt fängt der Spaß an: wir simulieren die Schaltung und sehen uns die Spannungen am Eingang (grün) und an der Antenne an (violett).
Mein lieber Scholli: der arme Kondensator muss über 2kV aushalten. Übrigens genau die Spannungsüberhöhung, die uns Wolfgangs Programm vorausgesagt hat.



Aber jetzt wollen wir noch wissen, was für ein Strom durch den Kondensator fließt. Das ist zwar ein Blindstrom und der würde eigentlich völlig unbemerkt durch den Kondensator rauschen, wenn...
Ja, wenn dieser verlustfrei wäre (ESR=0). Ist er aber leider nicht. Darum Obacht:


Gelb ist der Strom, der durch die Antenne fließt - bei einem Kilowatt, notabene. Da wird es einem schon ganz schön warm ums Herz. Und jetzt kommt der Hammer: Rot ist der Strom, der durch den Kondensator fließt: 12 A Spitzenstrom, bzw. 8.5 Ampère RMS! Da muss der Kleine aber schön schwitzen und wehe, er hat auch nur einen klitzekleinen Verlustwiderstand (ESR, equivalent series resistance). Dann brennt der Hut :-(

Darum sind in den automatischen Antennentunern die Kondensatoren die kritischen Elemente.