Samstag, 20. Juni 2015

Si j’était président


Die USKA (Union Schweizer Kurzwellenamateure) sucht einen neuen Präsidenten, nachdem Daniel Kägi, HB9IQY, wegen der in den Statuten festgeschriebenen Amtszeitbeschränkung 2016 zurücktreten muss.
Keine leichte Aufgabe, wie Markus, HB9AZT, im Funkamateur feststellt: Schwindende Mitgliederzahlen, viele unterschiedliche Interessen und die zunehmende Schwierigkeit, qualifizierte OM zu finden, die bereit sind, ihre Freizeit für eine symbolisch Entschädigung zu opfern. Na ja, Markus hat ja immer einen leicht trübsinnigen Bias in seinen Berichten. Ist es wirklich so schlimm?

Als ich die Meldung zum ersten Mal gelesen habe, kam mir das Chanson von Gérard Lenorman wieder in den Sinn: Si j’était président. Und ich habe tatsächlich einen Augenblick mit dem Gedanken gespielt, mich für dieses Amt zu melden. Sicher bekäme ich einigen Zuspruch von meinen Lesern, da inzwischen viele OM in der Schweiz die Funkperlen kennen.
Und so habe ich mir überlegt, was ich dann tun würde, si j’était président. Doch bevor man Pläne schmiedet, sollte man wissen, mit was man es zu tun hat. Kurz: was ist die USKA und wo steht sie heute? Hier meine Kurzanalyse:

Nun, die USKA von heute ist ein von kognitiver Dissonanz geplagter Verein von teilweise autistischen Individualisten, die jeweils ihre Spielart eines aussterbenden Hobbys als die wichtigste ansehen.

Ups. Da habe ich mich wohl gerade als Bewerber für dieses Amt disqualifiziert. Macht nichts. Ist der Ruf erst ruiniert, dannlebt sich’s ganz ungeniert. Also weiter mit der Analyse:

Grundsätzlich ist die USKA also nicht mehr und nicht weniger als jeder andere Schweizer Verein von ähnlicher Grösse. Nur mit dem Unterschied, dass wir funken und nicht Kaninchen züchten. Allerdings haben wir gegenüber den Kaninchenzüchtern ein Handikap: unsere Tätigkeit ist für Aussenstehende im besten Fall ein Unikum und schwer fassbar, im schlimmsten Fall störend und schädlich. Außerdem verlangen wir Privilegien, die kein Kaninchenzüchter in Anspruch nehmen würde: die Nutzung wertvoller Frequenzressourcen und das Recht, große, weitherum sichtbare Aluminiumbäume zu errichten. Notabene ohne irgendeinen greifbaren Gegenwert für die Gesellschaft. Nicht einmal Kaninchen.
Allerdings haben wir auch eine Gemeinsamkeit mit den Kaninchenzüchtern: kaum ein Mensch interessiert sich mehr für unser spezielles Hobby. Wir sterben aus – nur die Kaninchen werden überleben.
Oh, hat mich jetzt Markus angesteckt?
Soweit die Außenansicht unseres Vereins. Doch wie sieht er denn heutzutage von innen aus?
Kein anderer Verein dürfte dermaßen fragmentiert sein wie unserer. Das spiegelt natürlich das enorm breite Gebiet unseres Hobbys wider. Hinzu kommt der Röstigraben, der nicht nur quer durch die Schweiz, sondern auch durch unseren Verein läuft. Wobei wir die Tendenz haben, das Tessin vollständig zu vergessen. Die USKA wird von Deutschschweizern dominiert. Das ist schade, denn gerade in der Westschweiz gibt es viele, sehr engagierte und hoch qualifizierte OM.
Die USKA ist, wie könnte es hierzulande anders sein, demokratisch organisiert. Das ist gut so. Doch die gegenwärtige Struktur ist schwerfällig und verkrustet. Der Ballast ist entsprechend gross. Ein Beispiel ist der Webauftritt. Er will es jedem Recht machen und verliert sich so in der Unendlichkeit. Im Gegensatz zu meinem Blog hat er zum Beispiel immer noch keinen Smartphone-Auftritt. Ein untrügliches Zeichen der Rückständigkeit.
Dabei sucht man verzweifelt nach Nachwuchs, gerade bei der Smartphone-Generation.
Kurz: Die USKA ist nicht mehr zeitgemäss organisiert, zersplittert und rückwärtsgewandt und verliert sich in unzähligen Aktivitäten, obschon die Human- und Finanzressourcen fehlen, diese wirklich wahrnehmen zu können. Der politische Aktivismus zur Rettung eines angeblichen Rechts auf eine Antenne ist m.E. nicht mehr als ein Furz in der Laterne und die Resultate der Nachwuchswerbung geht kaum über Eintagesfliegen hinaus. Natürlich hat der Amateurfunk nicht nur hierzulande ein Nachwuchsproblem. 
Nur im Geburtsland des Amateurfunks geht der Trend zurzeit in eine andere Richtung. Allerdings zuLasten des Niveaus, wie ein Blick in die QST und ein Vergleich zu früher zeigt.

Doch zurück zum Thema: Si j’etait President, qu'est-ce que je ferais?
Was würde ich als Präsident der USKA tun?

-         Erstens und das ist das Wichtigste: Die Illusionen verscheuchen und den Tatsachen ins Auge schauen. Wir sind eine aussterbende Spezies. Der Amateurfunk, wie wir ihn kennen und lieben, wird vielleicht nicht ganz aussterben, aber in einer bedeutungslosen Nische versinken. Doch was soll’s? Lieber klein aber fein, anstatt zu einem sinnlosen Jedermannfunk zu verkommen. Hören wir auf zu jammern und geniessen wir unser fantastisches Hobby. Qualität geht vor Quantität. Trotzdem darf die Nachwuchsförderung nicht vernachlässigt werden. Aber das machen die Sektionen und einzelnen Amateure ganz gut, siehe HB-Radio 3-2105. Dazu braucht’s keinen Oberheini im Zentralkomitee.

-         Zweitens sollte eine „Brücke über den Röstigraben“ gebaut werden und auch unsere Freunde aus dem Tessin sollten besser integriert werden. In letzter Zeit habe ich den Eindruck, dass wir auseinanderdriften. Als Präsident würde ich die Westschweizer und Tessiner Sektionen regelmässig besuchen und ihnen vor allem gut zuhören. Der Präsident muss ein Integrator sein und kein Verwalter. Ein welscher Präsident oder zumindest einer aus dem Röstigraben wäre deshalb optimal.

-         Drittens müssen wir endlich zur Kenntnis nehmen, dass unsere Mitglieder immer älter werden. Old Timer haben andere Interessen als Newcomer. Die USKA muss sich dieser Entwicklung anpassen, sonst verliert sie den Kontakt mit ihrem Rückgrat. Und das ist nun mal die „Alte Garde“. Kleiner Tipp für die Redaktion des HB-Radios: Die Clubzeitschrift des RAOTC birgt wahre Perlen. Eine Fundgrube für Artikel, die man auch im „Zentralorgan“ bringen könnte.

-         Viertens, und das ist eine Frage des Überlebens: die USKA muss Ballast abwerfen. Konzentration auf das Wesentliche ist angesagt. In meinen Augen sind das: Die Vertretung gegenüber IARU und den Behörden, der QSL-Service, solange die OM noch die altertümlichen Pappkärtchen verschicken, der Betrieb der Station HB9O im Verkehrshaus als wirksamste PR und die Frequenzkoordination. Wichtig ist auch die Unterstützung der Mitglieder durch die Antennenkommission. Ob die zweimonatliche Hochglanzzeitschrift dazu gehört, muss hinterfragt werden. Im Grunde wünsche ich mir den monatlichen Old Man zurück. Wie auch immer: Aktuelles gehört sowieso ins Web. Der Versuch, sich beim DARC Rundfunk anzuhängen, scheint mir ein guter Ansatz zu sein. Schließlich sind wir Funker. Aber was nicht unbedingt zentralisiert werden muss, soll Sache der Sektionen bleiben. Ich bin ein Anhänger des Föderalismus.

-         Der Webauftritt muss dringend verbessert und auf das Wesentliche beschränkt werden. Ein mobiler Web-Auftritt ist ein Muss. Das Web ist heute das Mittel der Wahl zur Information der Mitglieder. Nur damit kann zeitnah informiert werden. Totholzmedien sind – wie wir – am Aussterben. Nie aktuell, immer Schnee von gestern.

-         Politisches Lobbying bringt m.E. nichts. Schon gar nicht durch politische Amateure. Im besten Fall ist das ein Schuss in den Ofen, im schlechtesten Fall kontraproduktiv. Wir sind keine signifikante Wählergruppe und vertreten keinen Wirtschaftszweig!

-         Als USKA Präsident wäre es mir ein besonderes Anliegen, die Nostalgie mit der modernen Technik zu versöhnen. Wir Funkamateure haben eine fantastische Geschichte und die ist Teil unserer Identität. Aber diese Erfolgsgeschichte kam nur zustande, weil wir immer an vorderster Front experimentierten. Ziehen wir uns dort zurück, sterben wir noch rascher aus. Darum sollten Entwicklungen wie z.B. das HamNet gefördert werden.

Und um endgültig disqualifiziert zu werden: Ich würde wieder eine CW Prüfung einführen. Auf freiwilliger Basis und abgenommen durch Volontäre aus den Sektionen. Die Telegrafie ist ein unschätzbares Erbe und die einzige Kunst, die wir neben stundenlangem FiiiveNiiine-Brüllen beherrschen. Sie darf nicht aussterben.