Montag, 22. Juni 2015
Funk am Berg
Amateurfunk inmitten der Berge sieht etwas anders aus, als an der Meeresküste. Auf den längeren Wellen merkt man sofort, dass die Bergketten die Bodenwellen stoppen. Während an der Nordsee auch tagsüber auf Mittelwelle (160 und 630m) respektable Distanzen überbrückt werden können, erwachen diese Bänder inmitten der Alpen erst in der Nacht zum Leben, wenn die Ionosphäre ins Spiel kommt. Nur der Langwelle (2200m Band) gelingt es - mit Verlusten - auch am Tag die Bergriegel zu überqueren.
Doch das ist nicht der einzige Unterschied. Der Boden besitzt eine schlechte Leitfähigkeit. Unter einer geringen Humusschicht befindet sich der gewachsene Fels. Einen Grundwasserspiegel sucht man in der Regel vergebens. Daher sind Vertikalantennen keine gute Idee und horizontale Dipole die bessere Wahl (siehe u.a. Praxisbuch Antennenbau von HB9ACC)
Natürlich behindert auch der hohe Horizont der umliegenden Berge eine flache Abstrahlung. DX geht am besten Talauf- oder Talabwärts.
Diesmal war ich in Haute-Nendaz in den Ferien. Ein großer Wintersportort, der redlich versucht, auch die Wandertouristen im Sommer anzuziehen. Doch im Juni herrscht dort tote Hose. Die Bergbahnen stehen still und die meisten Betten bleiben kalt. Schade, denn es ist eine wunderbare Zeit, den Suonen entlang zu ziehen, die aufblühende Natur zu bewundern und die klare Bergluft zu atmen. Für ältere Semester ideal, denn die Höhendifferenzen entlang der Suonen sind minimal.
Abends möchte man aber noch ein wenig funken und so baut der OM eine Antenne gemäß den örtlichen Gegebenheiten. Die waren in meinem Fall vor allem eins: steil. Schon die Zufahrt zum Chalet stellte meinen Dreizylinder Fiesta vor ein Problem: 25% Steigung waren zu überwinden. Ein 4X4 wäre kein Luxus gewesen.
Der Hang selbst war aber noch steiler: ca. 50% vom QTH auf 1500m bis hinunter ins Tal.
Aufgrund der Verhältnisse entschied ich mich für "den Antennentyp des Seltsamen Dipols", angepasst durch einen automatischen Koppler CG-3000. Da ich nicht die Katze im Sack kaufen wollte, simulierte ich zuvor das eigenartige Gebilde mit EZNEC. Doch eine Simulation auf stark abfallendem Gelände hat ihre Tücken. Einfach so zu tun, als sei der Untergrund im Lot, ist keine Lösung. Die Achsen müssen dem Boden angepasst werden. In meinem Fall war das die X-Achse. Darum steht der Vertikalteil meiner Antenne - ein Fiberglasmast - in der folgenden Darstellung schräg, obschon er in Wirklichkeit gerade in den Himmel zeigte:
Nummer 1 ist der Fiberglasmast, der in Wirklichkeit senkrecht steht und etwa 8m lang ist. Er stand auf dem Balkon, der sich 4m über Grund befand.
Nummer 2 ist 16.6m lang und wurde schräg in den Hang hinein abgespannt und in zwei Metern Höhe an einem Baum befestigt.
Nummer 3 ist die andere Hälfte des Dipols und 19m lang. Er wurde in 4m Höhe parallel zum Hang gespannt.
Diese Antenne ist weder resonant noch symmetrisch. Doch das ist dem CG-3000 wurscht ;-) Er passt auf allen Bändern 1:1 an.
Die Verluste des Gebildes halten sich in Grenzen, außer auf dem 160m Band. Gegenüber meiner Antenne zuhause verlor ich fast 20 dB laut Simulation. Dies wurde von der Wirklichkeit prompt bestätigt. Auf 80 und 40 ist diese Antenne natürlich ein Steilstrahler - was auch meiner Absicht entsprach. Ich war auf QSOs mit HB9 und den Nachbarländern aus.
Doch jetzt kommt der Clou an dieser Geschichte. Die Richtdiagramme, die EZNEC zeigt, können natürlich nicht 1:1 übernommen werden. Denn die X-Achse wurde ja dem Terrain angepasst. Deshalb muss dieser Winkel bei den Richtdiagrammen auch berücksichtigt werden. Und was vorher ein Senkrechtstrahler war, wird jetzt zum Tal hin abgekippt.
Ein Glücksfall für mich. Denn Nendaz liegt an einem Nordhang und folglich war auf 80 und 40m der Norden die bevorzugte Strahlrichtung. Funk mit Rückenwind vom Berg!
Dafür ging es in die andere Richtung (Bergauf) kaum. SV/HB9EXA/m, mit dem ich Skeds verabredet hatte, war nur an der Grasnarbe zu hören (30m).
Theorie und Praxis stimmten also überein. Zumindest bis ich die Impedanz der Antenne mit den errechneten Werten verglich. Da offenbarte der AA-600 recht große Unterschiede.
Unten im Tal liegt übrigens die Hauptstadt des zweisprachigen Kantons Wallis/Valais. Und etwas oberhalb auf der anderen Seite der Ort Savièse. Dort war bis 2005 ein lokaler Mittelwellensender in Betrieb (1485kHz, 1kW) mit dem Programm von Sottens. Hier die technischen Details.
Er war übrigens nicht der einzige Mittelwellen-Füllsender in der Schweiz. Wer mehr über die Radiogeschichte der Schweiz erfahren möchte, kommt nicht um diese Seite herum.