Rund einen Monat ist es her, seit die ersten Funkamateure einen ICOM IC-7300 im Shack stehen haben. Die Diskussionen in den Foren sind inzwischen abgeflaut, die Emotionen haben sich gelegt. Nur ein paar Wadenbeißer sind noch unterwegs.
Was wissen wir heute über dieses angeblich so neuartige Gerät?
Was andere wissen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich kann nur berichten, wie es mir ergangen ist:
Mit Direct SDR hatte ich mich in der Vergangenheit nie befasst. Mir waren die Kisten zu teuer und Funkgeräte, die einen Computer zum Betrieb benötigen, ein Graus. Der IC-7300 hat mich jetzt motiviert, dieses Empfängerprinzip etwas genauer anzusehen.
Zuerst war ich überwältigt von der Möglichkeit, nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen, was auf den Bändern passiert. Doch als die Overflow-Anzeige zu flackern begann, und plötzlich nur noch Gibberish zu sehen und zu hören war, verschwand die Euphorie schlagartig. Der IC-7300 zeigte ein Verhalten, das ich von anderen Transceivern nicht kannte. Starke Signale von Rundfunksendern im
31m Band konnten das 20m Amateurfunkband in eine Müllhalde verwandeln.
Nur der KX-3 von Elecraft hatte mich mit
einem ähnlichen Phänomen überrascht. Doch der AM-Durchschlag beim KX-3 hatte eine andere Ursache. Beim IC-7300 ist der AD-Wandler (ADC) ab einem bestimmten Eingangspegel schlichtweg überfordert. Overflow - Überlauf, wird das Phänomen genannt.
Das ist keine Eigenart des IC-7300, sondern eine Eigenschaft aller Direct Sampler. Ob Flex, Anan, Elad und wie sie alle heißen. Alle haben einen maximalen Eingangspegel, den der Wandler verdauen kann. Wenn dieser Überschritten wird, kann es die Software nicht mehr richten. Der ADC ist das schwächste Glied in der Kette. Bricht es, ist der Ofen aus.
Beim IC-7300 sind es etwa -10 dBm, also ca. 70 mV. Das scheint viel, doch es handelt sich dabei um die Summenspannung, die von einer Antenne geliefert wird. Somit können auch mehrere Stationen unterhalb dieses Pegels gemeinsam den ADC in den Anschlag treiben.
Natürlich hängt das auch von der Antenne ab. Meine ist dummerweise recht breitbandig.
Aber es gibt noch einen anderen Faktor, der entscheidend ist: das Vorfilter (Preselector). Wenn vor dem ADC-Wandler Filter sitzen, kann zum Teil verhindert werden, dass zu hohe Summenspannungen auf den ADC gelangen. Im Idealfall wären das Bandfilter für jedes einzelne Amateurfunkband.
Beim IC-7300 ist das leider nicht der Fall. Für das 30m und 20m Band steht nur ein gemeinsames Filter von 10 bis 15 MHz zur Verfügung. Also keine schmale Tür, sondern ein Scheunentor, das alles, was in diesem Bereich geschieht, und noch etwas darüber hinaus, auf den ADC loslässt. Ein Kompromiss zu Gunsten eines günstigen Preises.
Allerdings hat ICOM eine Notlösung für den geplagten OM eingebaut: Der RF-Gain wirkt direkt auf einen stufenlosen PIN-Dioden-Abschwächer
vor dem ADC. Damit kann man das Eingangssignal zurückregeln (dämpfen) und den ADC im Störfall entlasten. Dadurch verringert sich jedoch auch die Empfindlichkeit und schwache Signale verschwinden im Rauschen.
Ein akzeptabler Kompromiss, mit dem ich angesichts des günstigen Preises und der anderen "Features" leben kann. Der IC-7300 ist ja nicht per se ein schlechtes Gerät und hat viele gute Eigenschaften.
Doch die Illusion, der IC-7300 könnte vielleicht mehr sein und wesentlich teurere Superhet-SDR in den Schatten stellen, ist verflogen. Gegen Geräte, wie zum Beispiel der TS-590 von Kenwood, hat das Teil keine Chance. Und das er mit dem IC-7600 gleichziehen würde, ist ein Traum. Der IC-7300 ist ein Low Cost und Lifestyle Gerät. Dazu ist das Direct-SDR Prinzip bestens geeignet.
Wie gesagt, alle Direct-SDR weisen einen maximalen Eingangspegel für ihren ADC auf. Und da alle mehr oder weniger die gleichen Wandler benutzen, bewegt der sich auch in der gleichen Größenordnung.
Aber es gibt noch andere Eigenheiten, die dieses Empfängerprinzip charakterisieren. Die Augen geöffnet hat mir das Studium der Unterlagen zum ADAT-200A. Dieser Direct-SDR Transceiver wurde von Hans Zahnd entwickelt und wird seit 2009 von Lixnet vetrieben. Ein geniales Ingenieur-Produkt, leider ohne adäquates Marketing. Das Resultat: Bedeutungslosigkeit und Nischendasein.
Der ADAT ist nicht gerade der Schönste und hat mehr das Flair eines Defibrillators als das eines Funkgeräts. Aber er ist der Ehrlichste von allen.
Ein Blick in die Spezifikationen genügt. Da steht zum Beispiel klipp und klar -8dBm als maximale Eingangsspannung. Notabene ohne Vorverstärker und ohne Abschwächer. Daten, die man bei der Konkurrenz vergebens sucht.
Doch da ist noch mehr. Direct-SDR verhalten sich grundsätzlich anders als Superhets. Die klassischen Messungen führen daher auf den Holzweg. Denglisch Woodway ;-)
Klar wird das, wenn man die
Parameter Verifikation des ADAT aufmerksam studiert. So wird zum Beispiel die klassische Intermodulationsmessung zur Farce.
Zitat aus dem Dokument: Während die IM3-Produkte eines analogen Vierpols mit 3dB
pro 1dB Erhöhung des Einganssignals ansteigen, sind sie bei einem AD-Wandler in erster Näherung
konstant. Dadurch wird der IP3 abhängig vom Eingangspegel und erreicht sein Maximum an der
Übersteuerungsgrenze.
Doch das ist nicht die einzige Besonderheit der Direct-SDR, auf die man stößt. Erstaunlich, dass davon bei Rob Sherwood nichts zu lesen ist. Stolz steht nach wie vor der Flex 6700 an der Spitze
seiner Liste und erreicht angeblich sagenhafte 108dB DR bei 2kHz Abstand, und das bei eingeschaltetem Vorverstärker. Das glaubt nicht mal der Storch.
Auch die ARRL hat mich enttäuscht. Im neusten Heft steht ein Testbericht über den ELAD. Kein Wort über den maximalen Eingangspegel. Kein Wort darüber, wie sich der Empfänger tatsächlich in Gegenwart von sehr schwachen und sehr starken Signalen im ganzen Eingangsbereich des ADC verhält. Stattdessen
die üblichen Messungen.
Nur Adam Farson AB4OJ scheint mit seinen
NPR-Messungen auf der richtigen Spur zu sein. Schaut man seine Resultate an, so erhält man einen Eindruck, wie gut Direct-SDR wirklich sind (s. S. 6-9)
Bild: Old Tschätterhänd lädt die Flinte nach