Die digitalen Betriebsarten für schwache Signale gewinnen immer mehr Anhänger,
der Betrieb in FT8 nimmt zulasten SSB und CW rapid zu.
Der Vorteil der neuen Digitalen: DX klappt auch mit Balkonantennen und kleinen Leistungen. Kilowatt und Beam sind nicht mehr notwendige Utensilien.
Zudem passen viele QSO's gleichzeitig in einen einzigen SSB-Kanal. Frequenzknappheit war gestern.
Der Nachteil: Viel mehr als Rufzeichen, Rapport und QTH-Locator können nicht ausgetauscht werden. Noch ein 73 und eine kleine persönliche Note - that's it.
Doch was soll's? Bei heutigen DX-QSO's in den klassischen Betriebsarten wird auch nicht mehr ausgetauscht.
Mit den neuen Digitalen hatte ich bisher nichts am Hut. Ich hatte zwar etwas gewispert (WSPR) doch noch nie ein richtiges QSO in einer der WSJT-X Betriebsarten gemacht. Bis vorgestern.
Schon seit einiger Zeit spukte der Gedanke in meinem Kopf herum, ob man dieses moderne Zeug nicht auch für die Mikrowelle benutzen könnte. Damit meine ich nicht den weißen Kasten in der Küche, der mir die Mahlzeit vom Vortag aufwärmt, sondern zum Beispiel das interessante 10 GHz Band. Denn auch dort sind die Signale oft zu schwach für eine Verbindung in SSB oder CW.
Könnte man nicht die Reichweite erhöhen, fragte ich mich, wenn es gelänge, mithilfe einer digitalen Betriebsart, Signale tief im Rauschen noch zu decodieren?
Vergangenes Wochenende machten Christoph HB9DTZ und ich einen ersten Anlauf, diese Frage zu klären.
Eine Direktverbindung auf 10 GHz ist zwischen uns beiden nicht möglich. Wir funken im 3cm Band daher mit Reflexionen an den Hochalpen - am Jungfraumassiv. Die gesamte Strecke, die das Signal dabei zurücklegen muss, beträgt 120km. Die Signalstärke mit unseren 10W Sendern und den kleinen Spiegeln ist in der Regel gut (>S9), aber meistens mit einem langsamen QSB behaftet. Hier unsere Funkstrecke:
Unsere Transverter sind beide mit OCXO's stabilisiert und mittels Rubidium-Normal geeicht. Die Frequenzstabilität wird daher hauptsächlich von den verwendeten Transceivern bestimmt. Bei Christoph war ein Kenwood
TR-751, bei mir ein IC-/300 im Einsatz. Ein erster Versuch in
FT-8 klappte daher auf Anhieb. Ich lernte "on the job" bei WSJT-X auf die richtigen "Kästchen" zu klicken und wunderte mich, wie leicht das ging. Mein erstes FT-8 QSO war im Log.
Für Christoph war es noch einfacher: er hatte bereits auf KW Erfahrungen mit den Digitalen gesammelt.
Doch am Sonntag, als wir unsere Versuche fortsetzen wollten, schlug Murphy zu: rien ne va plus!
Unsere Signale drifteten durch die Gegend und die Detektoren der Software verstanden nur noch Kauderwelsch. Christophs Signal zeigte in JT9 seltsame Schlangenlinien und auch er sah auf seinem Schirm nur noch Schlangen.
Unser Verdacht: Die Ausbreitung der 3cm Wellen spielte uns einen Streich. Hier ein Blick auf die "Schlangen" von Christoph:
Doch welcher Ausbreitungs-Mechanismus könnte ein derartiges Phänomen bewirken?
Eine Beobachtung der von mir 157 km entfernten Bake auf dem Monte Tamaro, auf der anderen Seite des Alpenriegels, zeigte zwar auch Schwankungen in der Frequenz, doch eher unregelmäßiger Art und innerhalb eines Bandes von 5 Hz:
Ob diese Schwankungen auf Ausbreitungseffekte zurückzuführen sind, ist schwer zu sagen. Das 10 GHz Signal vom Monte Tamaro gelangt vermutlich nicht über Reflexion, sondern über Beugung an den Alpenkämmen (Knife Edge Diffraction) zu uns. Welchen Einfluss diese Ausbreitungsart auf das Signal hat, gilt es noch zu erforschen.
Es brauchte noch eine Reihe weiterer Hypothesen und Tests, bis uns endlich die Auflösung des Rätsels wie ein reifer Apfel vor die Füsse fiel:
Im Gegensatz zu den Versuchen am Vorabend, benutzte Christoph am Sonntag nicht den Oldtimer TR-751, sondern einen KX3 mit 2m Modul als Steuergerät für seinen Transverter. Als er wieder zum alten Kenwood wechselte, funktionierte es wieder und er konnte nun auch meine Signale in JT9 und JT65 einwandfrei decodieren.
Beim Googeln im Internet fiel mir heute morgen auf, dass der KX3 bereits auf KW
Schwierigkeiten mit der Stabilität hat - ein Problem, das in einschlägigen Foren diskutiert wird. Besonders mit der Betriebsart JT9, die offenbar empfindlich auf Frequenzdrift reagiert, scheint es Probleme zu geben. Auf 2 m multipliziert sich dann die Drift um den Faktor 10. Wenn der KX3 auf 14 MHz nur ein Hertz wandert sind das im 2m Band bereits 10 Hz!
Auch mein IC-7300 ist übrigens ein Frequenz-Migrant. In den ersten paar Sekunden einer Sendung produziert auch er eine Art Schlange. Die Frequenz rutscht nach unten weg und kommt dann langsam wieder hoch auf die Sollfrequenz. Allerdings ist diese Drift zu klein, um einen Betrieb mit JT9 und Konsorten zu stören.
Nachdem wir also FT8, JT9 und JT65 sicher im Griff hatten, ging es daran, den Empfang im Rauschen zu testen. Schritt um Schritt wurde deshalb die Sendeleistung verringert. Bei mir geschah dies auf der ZF-Ebene. Im nächsten Bild ist die "Schlange" von Dämpfungsgliedern zu sehen, die zwischen den Transvertern hängt:
Die Resultate waren erfreulich. FT8 schaffte knapp -18dB. JT9 war noch bei 22dB decodierbar und hätte vielleicht noch ein oder zwei dB mehr geschafft, und JT65 kam auf -24dB:
Fazit:
- Bei guter Frequenzstabilität (OCXO, GPS, Rubidium) funktionieren die WSJT-X Betriebsarten auch auf 10 GHz. Zumindest über Reflexionen an den Alpen. Damit werden Verbindungen möglich, die in SSB oder CW zu tief im Rauschen stecken würden und nicht machbar wären. Wie es bei anderen Ausbreitungsarten (Troposcatter etc.) aussieht, gilt es noch zu erforschen.
Für Regenscatter wird es wohl nichts, aber dort sind die Signale bereits stark genug.
Danke Christoph, HB9DTZ, für die spannenden Versuche!