Immer wieder gibt es unter OM Diskussionen darüber, was nun besser sei: Kupfer oder Stahl als Antennendraht. Man möchte ja nicht dB's verschenken, nur weil man den "falschen Draht" aufgehängt hat.
Vom mechanischen Standpunkt betrachtet, ist der Fall klar: Ein Stahlseil ist leichter und hält mehr Zugkraft aus als eine Kupferlitze gleichen Durchmessers.
Doch wie sieht es elektrisch aus? Wie wirkt sich der Skineffekt aus, von dem wir zumindest vor der Lizenzprüfung einmal gehört, bzw. gelesen haben?
Skin heißt übrigens Haut, das wissen zumindest die Skinheads ;-)
Hochfrequente Ströme fließen wegen dem Skineffekt nur an der Oberfläche eines Leiters. Die Erklärung dazu findet man hier.
Je höher die Frequenz, desto geringer ist die Eindringtiefe. Bei 1.8 MHz beträgt diese in Kupfer 48.6um und bei 30 MHz sind es noch 11.9um (Mikrometer = Tausendstel eines Millimeters).
Daher ist der Hochfrequenz-Widerstand eines Drahts wesentlich
Wie wir mit diesem Online-Rechner mühelos berechnen können, hat ein Dipol im 30m Band mit 0.3mm Cu-Draht einen HF-Widerstand von 13,4 Ohm. Mit 2mm Kupferdraht dagegen nur noch 2 Ohm.
Trotzdem halten sich die Verluste auch beim dünnen Draht noch in Grenzen, denn der Speisewiderstand (bei Resonanz = Wirkwiderstand) des Dipols liegt (je nach Aufbauhöhe) in der Regel irgendwo um 50 Ohm und ist daher ca. viermal höher als der Widerstand des Drahtes.
Die Effizienz einer Antenne hängt ja vom Verhältnis ihres Wirkwiderstandes zum Verlustwiderstand ab.
Im Jahr 2009 hat die USKA-Sektion Luzern einen Feldversuch mit verschiedenen Drähten durchgeführt, der dies bestätigt. Zwischen einem 1.5mm und einem 0.3mm Cu-Draht ergaben sich nur geringe Differenzen. Höchstens eine halbe S-Stufe (3dB) und im Mittel nur ein Bruchteil davon.
Auch der Vergleich mit Stahl- und Aludraht fiel nicht allzu schlecht aus.
Achtung: Angenommen wurden 6dB pro S-Stufe, heutige Transceiver haben oft nur 3dB pro S-Stufe (z.B. FT-991, IC-7300)
Trotzdem geht die Diskussion weiter. Einige OM behaupten, dass das Drahtmaterial keine große Rolle spiele, andere wollen gegenteilige Erfahrungen gemacht haben. Woran liegt das?
Vielleicht an der Frequenz?
Wenn wir schon einen so schönen Online-Rechner zur Verfügung haben, schauen wir uns doch einmal einen Dipol für das 160m Band an. Gesamtlänge ca. 80m. Der Rechner will übrigens ein Komma als Komma und keinen Punkt, sonst spinnt er.
Bei 0.3mm Cu-Draht bekomme ich jetzt bereits 31 Ohm und bei 2mm Drahtdurchmesser 4.66 Ohm. Da der 160m Dipol im Verhältnis zur Wellenlänge in der Regel beim OM niedrig hängt, wird der Speisewiderstand eher bei 40 Ohm als bei 50 Ohm liegen. Da werden die 31 Ohm des 0.3mm Drahtes schon spürbar und fressen fast die Hälfte der Leistung weg. Also fast eine "moderne" S-Stufe.
Wir stellen also fest: Der HF-Widerstand wird wegen der grösseren Drahtlänge auf den langen Bändern grösser, trotz des geringeren Skineffekts.
Bisher haben wir aber nur Kupferdrähte untersucht. Wie steht es mit dem verzinkten Stahlseil, das oft als Antennendraht angeboten wird? Leider macht da der Online-Rechner nicht mehr mit. Von Stahl will er nichts wissen.
Das liegt daran, dass es von Stahl unzählige Varianten (Legierungen) gibt. Unlegierter Stahl (Eisen) besitzt eine Leitfähigkeit von 0.1 bis 0.15 Ohm mm2/m. V2A Edelstahl 0.72. Zum Vergleich: Kupfer hat 0.0172.
Aber das ist noch nicht alles. Zu der schlechteren Leitfähigkeit kommt noch ein anderer Malus hinzu: Die Eindringtiefe ist bei Stahl wesentlich geringer als bei Kupfer, wie aus diesem Diagramm zu entnehmen ist (Quelle Wikipedia):
Und zwar, je nach Legierung, bis zu hundert Mal geringer als bei Kupfer. Das hängt von den magnetischen Eigenschaften des Stahls ab. Je höher dessen Permeabilität ist, desto geringer ist die Eindringtiefe. Zur Erinnerung: Kupfer ist nicht magnetisch!
Je "magnetischer" also ein Stahldraht (oder generell ein Leiter) ist, desto schlechter ist er als Antennendraht geeignet.
Doch die meisten Stahlseile, die als Antennendraht angeboten werden, haben Beschichtungen aus einem nichtmagnetischen Material. Kupfer, Zink, Zinn oder Messing sind nicht magnetisch und sind deshalb als HF-Leiter geeignet, obschon sie nicht ganz so gut leiten wie Kupfer.
Doch dieser Trick mit der Oberflächenbeschichtung funktioniert unterschiedlich gut. Ist die Schicht zu dünn, fließt ein Teil des Stromes auch im darunter liegenden Stahl.
Eine galvanische Verzinkung ergibt zum Beispiel Schichtdicken von 10 bis 20um. Viel zuwenig für die Eindringtiefe von fast 50um im 160m Band.
Das Problem ist also komplex und man findet nur wenige Informationen dazu im Internet.
Wer bei Langdrähten und Dipolen für die unteren Bänder auf Nummer Sicher gehen will, verwendet am besten Cu-Draht oder Cu-Litze.
Man könnte jetzt einen weiteren Feldversuch machen und diesmal das 80 und 160m Band hinzuziehen. Aber es gibt ein anderes, bequemeres Instrument: ein Programm zur Antennensimulation wie zum Beispiel EZNEC 6+.
Ich habe ein wenig damit gespielt und einen Dipol für das 160m Band in 12m Höhe simuliert. Frequenz 1.9 MHz mit 2mm Cu-Draht. Mein EZNEC gab in diesem Fall einen Gesamt-Gewinn (Verlust) von -4dB an. Ich habe dann den spezifischen Widerstand und die relative Permeabilität für Stahl eingegeben. Die relative Permeabilität kann - je nach Stahl-Sorte - von ca. 30 bis 3000 variieren. Das Resultat ist verblüffend. Der 2mm Stahldraht ist, je nach eingegebener Permeabilität, 6 bis 10dB schlechter als der gleichstarke Kupferdraht.
Gerade im 160m oder 80m Band, wo man wegen dem immer höher werdenden Störnebel um jedes dB kämpfen muss, scheint mir das ein wichtiger Punkt zu sein. Wenn mir ein Verkäufer nicht sagen, kann, wie dick die Beschichtung auf seinem Stahlseil ist, kaufe ich lieber die teurere Cu-Litze ;-)
Bild: Das Auto eines Goldgräbers, fotografiert in Saariselkä
PS. Eine weitere Untersuchung. Diesmal auf 7MHz und einem Vergleich Cu - Stahl mit geringer Permeabilität.